Mitten im Kampf um das Stadtparlament suchen die Norderstedter Christdemokraten einen Ausweg aus ihrer Krise. Wahl am 26. Mai.

Führungslos, ideenlos, kraftlos, zerstritten - vier Monate vor der Kommunalwahl am 26. Mai macht die Norderstedter CDU einen besorgniserregenden Eindruck. Die Christdemokraten, die in der Stadtvertretung die stärkste Fraktion stellen, die bei der letzten Kommunalwahl 2008 stolze 19 Direktmandate gewannen, finden sich in einer der größten Krisen ihres Ortsverbandes wieder.

Der autokratische Fraktionschef Günther Nicolai, der die CDU-Fraktion in der Stadtvertretung im Basta-Stil vor sich her trieb, wurde auf Drängen seiner Gegner in der Partei in den Ruhestand geschickt. Der gesundheitlich angeschlagene und nach Aussagen mancher Parteigänger demoralisierte Ortsvereinsvorsitzende Uwe Behrens hat sich aus freien Stücken von der Spitze der Partei verabschiedet.

Wer jetzt dachte, die reformorientierten und auf Verjüngung setzenden Kräfte der Partei würden sich endlich emanzipieren und die tief in verfeindete Lager gespaltene CDU mit dem frischen Blick nach vorne einen, der sah sich getäuscht. Die enthusiastisch auf einen Neuanfang drängende Stadtvertreterin Petra Müller-Schoenemann und der bislang eher farblose Fraktionskollege Friedhelm Voß verkündeten das Ende der Ära der Schulmeister in der Partei, brachten sich mutig und forsch als Doppelspitze ins Gespräch und wurden bald darauf mit der vollen Härte der versteinerten Realität innerhalb ihrer Partei konfrontiert.

Müller-Schoenemann trat gar nicht erst an, weil sie meinte, sich gegen die CDU-Altvorderen nicht durchsetzen zu können, und weil sie die Partei nicht noch stärker spalten wollte. Bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden setzte sich mit Gert Leiteritz ein Fraktionsurgestein mit über 35-jähriger Erfahrung in der Stadtvertretung durch - wenn auch nur mit einem denkbar schlechten Wahlergebnis von elf Ja- und acht Nein-Stimmen. Müßig zu sagen, dass Leiteritz mit seinen 70 Jahren sicherlich nicht gerade der Youngster in den Reihen der CDU ist und nicht für einen echten Neuanfang steht. Auch wenn Leiteritz das selbst genauso sieht und entsprechend nur als Interimslösung bis zur Kommunalwahl gilt - als Signal an die Wähler und die Partei war diese ohne die Parteibasis und ausschließlich von der CDU-Fraktion erwirkte Personalentscheidung verheerend.

Kein Wunder, dass dem Nachwuchs der Konservativen jetzt der Kragen geplatzt ist. Die beiden Vorsitzenden der Jungen Union, Richard Döbler und Lars Schröder, können nicht erkennen, dass ihre Partei noch "funktionsfähig" ist, obwohl sie, wie es in einer Mitteilung der Jugendorganisation heißt, den Rücktritt von Günther Nicolai "überfällig" nennen und damit unverhohlen begrüßen und offenbar auch dem scheidenden Ortsvereinsvorsitzenden Behrens nicht allzu viele Tränen nachweinen.

"Nach den letzten Geschehnissen ist der CDU-Vorstand seinen Mitgliedern Rechenschaft schuldig. Es wird Zeit, dass sich Vorstand und Mitglieder austauschen und schnellstmöglich die Karten legen. Die Wahl eines neuen Vorstandes ist für eine Neuausrichtung und Verjüngung essenziell", sagt Lars Schröder, der stellvertretende JU-Vorsitzende. Bei der Mitgliederversammlung der Partei am 15. Februar müssten nicht nur die Kandidaten für die Kommunalwahlen nominiert, sondern auch ein neuer Vorstand gewählt werden. "Die Partei kann unmöglich mit einem von der Mitgliedschaft nicht legitimierten Interimsvorsitzenden in den Kommunalwahlkampf ziehen, eine Neuwahl ist daher zwingend", sagt Schröder.

Der JU-Vorsitzende Döbler nennt die Vorgänge im Ortsverband irritierend. Und er wirft seinen Parteikollegen aus dem Vorstand mangelnde Kommunikationsbereitschaft vor. "Es ist ein Unding, dass der Gesamtvorstand der CDU erst aus den örtlichen Medien vom Rücktritt des Ortsverbandsvorsitzenden erfahren hat."

Momentan arbeitet sich die interne Kritik der Christdemokraten am Personal und am System ab. Die längst überfällige inhaltliche Diskussion hat offenbar noch nicht genügend Schwung bekommen - zumindest ist davon in der Öffentlichkeit nichts zu spüren. Die CDU als stärkste Fraktion des Norderstedter Parlaments setzt keine relevanten Themen mehr in der Stadt. Während sich andere Parteien munter über Stadtentwicklung und soziale Fragen auseinandersetzen, geriet die CDU ob ihrer öffentlichen Passivität zunehmend in den Ruf, lediglich die Vorgaben des Norderstedter CDU-Oberbürgermeisters Hans-Joachim Grote abzunicken.

Für Stadtvertreter anderer Fraktionen, die selbst seit Jahrzehnten die Kommunalpolitik begleiten, war es zudem überraschend, dass in der CDU-Fraktion vereinzelt schlecht vorbereitete und rechtlich wackelige Anträge gestellt wurden. Diese handwerklich ungenügenden Leistungen war man im parlamentarischen Umgang mit der CDU nicht gewöhnt.

Gert Leiteritz kennt und benennt diese Probleme. "Wir müssen wieder stärker die Stimme erheben, den Norderstedtern sagen, was die CDU will und wofür sie steht." Die aus seiner Sicht ungehörige Kritik des JU-Nachwuchses will er sich allerdings nicht gefallen lassen. "Im Fall von Günter Nicolai öffentlich von einem überfälligen Rücktritt zu sprechen - so etwas gehört sich parteiintern nicht. Das ist schlechter Stil." Er räumt aber ein, dass die Kommunikation des geschäftsführenden Vorstandes besser hätte laufen können. "Ich stehe mit allen Kräften der Partei im guten Austausch, und ich bin zuversichtlich, dass wir alle Fragen klären", sagt Leiteritz. Am Politikstil der CDU hat sich unter seiner kurzen Ägide schon etwas getan: Die CDU verschickte in der letzten Woche mehr Pressemitteilungen zu Sachthemen als insgesamt in den Monaten davor.

Auf der Mitgliederversammlung der CDU am 15. Februar müssen alle personellen und inhaltlichen Fragen vor der Kommunalwahl geklärt werden, wenn die Partei eine Chance im Kampf um die erneute Mehrheit in der Stadtvertretung haben will. Der 15. Februar scheint also zu einem Schicksalstag für die Norderstedter Christdemokraten zu werden, an dem die Weichen für den Erfolg oder Misserfolg gestellt werden.