Schornsteinfeger aus der gesamten EU dürfen den Hausbesitzern künftig aufs Dach steigen. Viele finden die Neuregelungen verwirrend.

Kreis Segeberg. Die Kunden fragen, und sie ärgern sich. "Bei mir klingelt das Telefon fast ohne Pause", sagt Hans-Peter Carstens, einer von sieben Bezirksschornsteinfegermeistern in Norderstedt. Anlass für die Dauergespräche ist eine Neuregelung, die die Europäische Union auf den Weg gebracht hat: Das Kehrmonopol fällt zum 1. Januar 2013. Vom neuen Jahr an kann sich jeder Hauseigentümer seinen Schornsteinfeger selbst suchen.

Allerdings nur für bestimmte Aufgaben: In Norderstedt dürfen nach dem Willen der Euro-Politiker künftig auch Kaminkehrer aus Polen, Spanien oder Frankreich kehren, messen und reinigen. Für die sogenannten hoheitlichen Aufgaben wie die Feuerstättenschau und den Feuerstättenbescheid bleibt der Bezirksschornsteinfegermeister zuständig. Er behält auch die Gesamtverantwortung, muss kontrollieren, ob der Kollege zertifiziert ist und seine Arbeit ordnungsgemäß erledigt hat.

Für die Neuregelung hat die EU einen Schnitt gemacht. Alle Hausbesitzer bekommen zum Jahreswechsel einen Feuerstättenbescheid, in dem die Art der Heizanlage sowie die Kehr- und Kontrolltermine notiert sind, denn: Die Eigentümer sind künftig dafür verantwortlich, dass die Arbeiten termin- und fachgerecht erledigt werden. Der Feuerstättenbescheid verschafft einem "Fremdfeger" die nötigen Informationen und dem Bezirksschornsteinfegermeister zusätzliche Einnahmen: Zehn Euro netto kassiert er für das Pflichtdokument. "Nicht nur diese überflüssige Ausgabe ärgert mich, sondern auch, dass am Bescheid gleich eine Bitte um Auftrag dranhängt", sagt der Norderstedter Hausbesitzer Horst Willers. Da wird zwar auf die gesetzlichen Grundlagen verwiesen, was die Arbeiten kosten, steht aber nicht drin. Er könne doch nur über ein Angebot entscheiden, wenn er die Kosten kennt. So aber solle er die Katze im Sack kaufen.

Mit der Liberalisierung können Hausbesitzer die Gebühren für die frei zu vergebenden Leistungen mit dem Kaminkehrer ihrer Wahl grundsätzlich aushandeln. "Die Preise nach der zuletzt gültigen Gebührenordnung waren ohnehin schon sehr moderat. Einmal Fegen gab es für 20 Euro plus Mehrwertsteuer", sagt Gerhard Möller, Obermeister der auch für den Kreis Segeberg zuständigen Schornsteinfeger-Innung Lübeck. Die Gebühren seien ursprünglich so kalkuliert worden, dass der Schornsteinfeger von Haus zu Haus geht, die Kamine kehrt und die Heizanlagen kontrolliert. Doch das ist, so der Bezirksschornsteinfegermeister Carstens, schon längst nicht mehr Realität. Immer mehr Menschen sind tagsüber nicht zu Hause. Das kompliziere die Terminplanung, mache mehr Fahrten nötig. "Jede Fahrt von 15 Minuten und mehr ist nicht mehr wirtschaftlich", sagt der Innungs-Obermeister.

Da die Fahrtkosten mit zunehmender Streckenlänge steigen, dämpfe das den freien Wettbewerb. Möller geht davon aus, dass maximal zehn Prozent der Hausbesitzer von der Liberalisierung Gebrauch machen werden. "Die meisten sind mit ihrem Kaminkehrer zufrieden. Der kennt die Anlage und die Eigenheiten des Kunden, weiß, wann es ihm passt. Und der Kunde kennt seinen Schornsteinfeger", sagt Möller.

Im Übrigen erhöhe sich der bürokratische Aufwand, wenn ein externer Kollege die Arbeiten übernimmt. Der Hausbesitzer müssen dem Bezirksschornsteinfegermeister auf einem Formblatt nachweisen, dass der fremde Feger die Arbeiten termin- und sachgerecht erledigt hat. Werden Fristen versäumt, oder unterlässt es ein Hausbesitzer überhaupt, einen Schornsteinfeger zu bestellen, droht Ärger und Zwangskehrung. "Wir führen nach wie vor das Kehrbuch, müssen die Daten einpflegen und verwalten", sagt Carstens. Und das lassen sich er und seine Kollegen, die für einen Kehrbezirk verantwortlich zeichnen, bezahlen. Hinzu kommen die Feuerstättenschau, die mindestens zweimal in sieben Jahren erfolgen muss, die Bauabnahme von Heizanlagen und die Feuerstättenbescheide.

"Aus unserer Sicht hat die Neuregelung nur einen Vorteil: Wer mit seinem Schornsteinfeger nicht klar gekommen ist, kann sich jetzt einen anderen suchen", sagt Holger Dircks, Vorsitzender von Haus & Grund in Norderstedt. Der Verband hat seine Mitglieder und Gäste mehrfach gezielt über die freie Wahl des Fegers informiert.

Auch die Kaminkehrer müssen sich neu orientieren. Früher versprach ein Kehrbezirk einen auskömmlichen Lebensjob. "Doch durch die ständig fortschreitende Heiztechnik nehmen die Kehr- und Messtätigkeiten ab, brechen ganze Anlagen wegen der Umstellung auf Fernwärme weg", sagt Innungs-Obermeister Möller. Daher seien die Kaminkehrer schon seit Jahren auf der Suche nach Ersatz. Nach dem neuen Schornsteinfeger-Handwerksgesetz dürfen die Kaminkehrer Heizungen warten, Rauchmelder installieren, Öfen verkaufen, kleinere Reparaturen an Schornsteinen vornehmen, Dachrinnen reinigen und Energieberatung anbieten.