Der Garstedter Müllberg ist das Rodel-Dorado Norderstedts. Für die Mutigen sorgen in diesem Jahr Sprungschanzen für Aufsehen.

Norderstedt. Völlig frei von Angst steht Lukas auf dem Gipfel des Garstedter Müllbergs und starrt in die Tiefe. Zu seiner Linken versinkt gerade die rote Wintersonne hinter den Bäumen. Dicke Flocken hat es noch in der Nacht zuvor geschneit, inzwischen ist der Himmel klar, und die kalten Temperaturen haben die Piste, die sich der 13-Jährige gleich herunterstürzen will, vereist. Hobby-Rodler drehen an diesem Nachmittag enttäuscht ab, wenn sie vom Gipfel herabsehen. Auf halbem Weg ins Tal türmen sich dort zwei gewaltige Sprungschanzen für BMX-Fahrer auf. Herunterfahren möchte da keiner - außer Lukas und seine Freunde.

Beherzt kippt Lukas nun seinen Schlitten, stürzt sich auf die Piste. Nach zehn Metern: die Schanze. Absprung. Dann der Flug: Fast majestätisch schwebt Lukas für einen Moment in der Luft. Aufprall - alles ist gut gegangen. Ein Rodler nach dem anderen wagt jetzt den Sprung von der Schanze. Erik, Torben, Julian. Alle sausen in die Tiefe; nur Robin kann nicht mitmachen. Seinen Holzschlitten hat der 14-Jährige kürzlich in seine Einzelteile zerlegt, heute ist er mit einem blauen Plastiksack gekommen und muss auf dem Hosenboden rutschen.

"Anfangs hatten wir Angst um unsere Knochen", berichten die fünf Abenteurer. "Mittlerweile sorgen wir uns nur noch um die Schlitten." Das Selbstbewusstsein der Schüler ist nicht unbegründet. Wenn sie sich nicht gerade mit ihren Schlitten in den Abgrund stürzen, machen die geübten Skater die Halfpipes der Stadt unsicher.

Regelmäßig wird im Winter der Garstedter Müllberg an der Oadby-and-Wigston-Straße zum Rodel-Dorado Norderstedts. Schon kurz nach dem ersten Schneefall bevölkern die Norderstedter traditionell die Pisten. Die spannendste und steilste Bahn ist für Otto Normal-Rodler in diesem Jahr aber nicht zu befahren. Die von BMX-Fahrern privat aufgebauten Sprungschanzen machen die Abfahrt für Ungeübte unmöglich. Während Lukas und seine Freunde sich freuen, ärgern sich andere Norderstedter darüber.

So auch Sven Peters. Der 45-Jährige ist mit Tochter Finja zum Müllberg gefahren, um - wie im vergangenen Jahr - seine Lieblingspiste zu befahren. Damals gab es auch schon Sprunghügel für die BMX-Fahrer, aber die entscheidende Schanze, die nur die mutigsten Abfahrer mit dem Schlitten nehmen können, war noch nicht da. "Das ist in diesem Jahr schon ein bisschen doof", sagt Sven Peters und seine Tochter pflichtet ihm bei. Eine offizielle Genehmigung hat die Stadt Norderstedt zum Bau der Sprungschanzen nicht erteilt. "Es ist wie auf der Alster", sagt Pressesprecher Hauke Borchardt. "Das Betreten erfolgt auf eigene Gefahr."

Glücklicherweise können die Rodler am Müllberg noch auf eine der vier anderen Bahnen ausweichen. Auch am nicht so steilen Teil gibt es aber ein Hindernis. Am Fuße des Bergs, direkt neben der Boccia-Bahn und damit genau dort, wo die Fahrten der Rodler enden, steht ein roter Hydrant. Bis vor zehn Jahren stand er elf Meter weiter rechts auf der Wiese an der Oadby-and-Wigston-Straße. Nachdem einige besorgte Eltern die Stadtwerke informiert hatten, weil ihre Kinder immer wieder gegen den Hydranten gerast waren, wurde er schließlich neben die Boccia-Bahn verlegt. Wenn der erste Schnee fällt, legt das Norderstedter Betriebsamt zusätzlich zwei riesige Strohballen vor den Hydranten und die Holzumrandung der Boccia-Bahn.

Die sechsjährige Talita testet den Prallschutz gleich einmal aus. "Ich war sogar schneller als mein Papa und bin voll gegen den Strohballen gefahren", sagt sie lachend und kraxelt den Berg gleich wieder hoch.