Tierhalter zu Freiheitsstrafe verurteilt. Amtsgericht tadelt auch das Verhalten der Behörden

Bad Segeberg. Es ist eine erschütternde Geschichte, mit der sich das Amtsgericht in Bad Segeberg beschäftigen muss: Ein Pferd überspringt nachts die Weidenumzäunung, läuft vor einen Eisenbahntriebwagen und wird getötet. Zu dem Unfall auf der Strecke zwischen Neumünster und Bad Segeberg bei einem Bahnübergang in Wahlstedt kam es Ende Mai vergangenen Jahres.

Ein nahezu identischer Unfall hatte sich bereits 2004 ereignet. Auch damals war ein Pferd von einer Koppel, die Hartmut N., 64, gehörte, ausgebrochen. Damals war es dem Tier ebenfalls gelungen, den mangelhaft gesicherten Zaun zu überwinden. Bei der Kollision mit dem Zug war auch dieses Pferd ums Leben gekommen.

Das Ordnungsamt der Stadt Wahlstedt hat den Angeklagten N. in den vergangenen zehn Jahren immer wieder aufgefordert, die Umzäunung instand zu setzen und sich besser um die gehaltenen Pferde zu kümmern. Bei der Behörde waren wiederholt Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Der Angeklagte, ein gelernter Pferdewirt und studierter Veterinäringenieur, wurde beschuldigt, die Pferde nicht ausreichend mit Wasser zu versorgen. Auch der Zustand der Koppel, auf der teilweise gefährliche Abfälle lagen, wurde angeprangert.

Der als Zeuge auftretende Mitarbeiter des Ordnungsamtes und auch der Amtstierarzt werden von Richterin Sabine Roggendorf und der Staatsanwältin ins Gebet genommen und kritisiert. Sie hätten längst handeln und den zusammengeschusterten Zaun auf Kosten des Angeklagten erneuern lassen müssen, denn die mangelnde Ausbruchsicherheit war bei Ortsterminen mehrmals festgestellt worden.

Wie sich im Laufe des Prozesses herausstellt, war es bei beiden Pferdeunfällen derselbe Lokführer, der hilflos erleben musste, wie das Pferd vor die Lok sprang und schrecklich zugerichtet wurde. Der Angeklagte, der sagt, er habe aus Geldmangel den Zaun nicht erneuern können, entschuldigt sich zwar beim Lokführer, wirkt ansonsten aber während des Verfahrens emotionslos.

Er berichtet von einem Fluchtversuch aus der DDR in den 70er-Jahren, nachdem er dort vier Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Schließlich wurde er abgeschoben. Der jetzt von Hartz IV lebende Pferdewirt hatte sich vor Jahren selbstständig gemacht, war mit seiner Baufirma aber pleite gegangen. Zurück blieben hohe Schulden und eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung.

Dieses Urteil des Landgerichts Kiel wird mit einbezogen und der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Als Fachmann hätte er wissen müssen, dass die provisorische Umzäunung nicht reicht, betont die Richterin in ihrer Urteilsbegründung und verhängt zusätzlich ein Tierhalteverbot von fünf Jahren.