Man ist ja froh, wenn aus Bella Italia mal etwas anderes über die Alpen kommt als Wirtschaftskrisen oder spielverderbende Mittelstürmer. Nun also: Lucchetti dell'Amore. Liebesschlösser.

Falls Ihnen jemand nonchalant verkündet: "Gabi und ich haben jetzt ein Schloss", handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich keineswegs um eine Immobilie der Kategorie "Neuschwanstein", also nicht um ein Vorzeige-, sondern um ein schnödes Vorhängeschloss.

Allerdings werden diese Schlösser heutzutage nicht bloß vorgehängt, sondern durchaus vorgezeigt. Selbst denen, die sich gar nicht dafür interessieren, ob Gabi jetzt ein Schloss hat. Es sind demnach doch Vorzeigeschlösser, wenn auch ungleich preisgünstiger als Neuschwanstein.

Liebesschlösser, farbig bis schlicht, zieren das Geländer der Fußgängerbrücke über dem Norderstedter Stadtparksee. Modernes Vorspiel einer Ehe: Beziehungsstatus auf Facebook ändern/Schloss mit eingravierten Namen kaufen/Brücke suchen. Früher hat man Herzchen mit Initialen in Parkbänke oder Bäume geritzt. Das war noch Handarbeit. Und gratis. Diese Methode hatte natürlich auch ihre Schattenseiten. Für Bäume, beispielsweise. Wenigstens war die Symbolik eindeutig: Du, ich, ein Herz. Heute dagegen: Du, ich, ein Vorhängeschloss. Und den Schlüssel werfen wir gleich ins Wasser, damit bloß keiner auf die Idee kommt, vielleicht doch mal kurzfristig die Beziehung umzuhängen.

Angesichts dieser Symbolik fröstelt es sogar notorischen Romantikern. Eingefleischte Realsatiriker dagegen fordern größtmögliche Wahrheit im Umgang mit den eisernen Liebesschwüren ein und plädieren dafür, Namen, Herzchen und Kennlerndatum gleich auf ein Paar Handschellen zu prägen.

In buntfarbiger Ausführung wären diese die Zierde eines jeden Brückengeländers. Nicht bloß in optischer, sondern gleichermaßen in akustischer Hinsicht: Entlockten die Herbstwinde Hunderten von Handschellenketten rasselnde Gruselklänge, wäre das auch für den hiesigen Stadtpark eine echte Attraktion.

Die öffentliche Geländergalerie aufgehängter Liebeshandschellen erfüllte überdies in ihrer symbolischen Aussagekraft eine ähnliche Funktion wie die Bundesgesundheitsminister-Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Schiller liest ja keiner mehr, aber jede Liebeshandschelle schriee es heraus: "Drum prüfe, wer sich ewig bindet..."

Ansonsten: Beziehungsstatus auf Facebook ändern/Eisensäge kaufen.