Mann muss 400 Euro zahlen. Anklage wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt wird fallengelassen

Norderstedt. Murat T., 39, aus Bremen ist erschüttert, dass er in einem Rechtsstaat wie Deutschland so etwas erleben musste: Ein Polizist habe ihn im April des vergangenen Jahres in Norderstedt zusammengeschlagen - und das eigentlich völlig grundlos, wie Murat T. behauptet.

Der Informatiker, der nach seiner Ansicht zu Unrecht auf der Anklagebank des Amtsgerichts in Norderstedt sitzt, gibt immerhin zu, seine Frau vorher beleidigt zu haben. Er sei gerade aus dem Urlaub in Istanbul zurückgekehrt und habe seine Kinder sehen wollen. Als er hörte, dass seine elfjährige Tochter sich bei Freunden aufhalte, habe er seine Frau mit den Worten beschimpft: "Du erziehst sie zu einer Hure."

Die Ehefrau rief die Polizei und gab an, dass ihr Mann sie bedrohe und beleidige. Beim Eintreffen der Beamten saß der Angeklagte mit seinem achtjährigen Sohn im Auto vor dem Mehrfamilienhaus und wurde dann nach seiner Darstellung von den beiden Polizisten in äußerst aggressivem Tonfall aufgefordert, seine Papiere zu zeigen und auszusteigen. Ein Polizist habe ihm dann einen Kinnhaken versetzt, wobei er zwei Zähne verloren habe. Stark blutend sei er zu Boden gegangen und mit einer "riesigen Ladung Reizgas" besprüht worden, bevor man ihm schließlich Handschellen anlegte, die sich schmerzhaft in seine Handgelenke geschnitten hätten.

Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war es hingegen der Angeklagte, von dem die Aggressionen ausgingen. Er habe wegfahren wollen, und als ein Polizist, um ihn daran zu hindern, in den Wagen nach dem Fahrzeugschlüssel greifen wollte, habe der Angeklagte ihn gegen die Innentür des Wagens gedrückt und anschließend geschlagen.

Zwei Nachbarinnen, die durch den Lärm aufmerksam geworden waren und die Auseinandersetzung beobachteten, berichten von dem aggressiven Vorgehen der Polizei.

Beide sahen, dass der Angeklagte blutüberströmt aus dem Auto gezerrt wurde und angeblich nicht in der Lage war, sich zu wehren.

Der Polizist, der im April bei dem Vorfall dabei war, räumt ein, dass er, als er vom Angeklagten im Auto eingeklemmt wurde, um sich geschlagen und den Angeklagten an der Nase getroffen habe. Danach habe er allerdings auch einige Schläge vom Angeklagten kassiert, was seine Kollegin bestätigt: "Wie von Sinnen schlug er mit Fäusten auf sein Opfer ein", sagt Polizistin Margit V., 30.Verletzungen und Hämatome wurden bei beiden Kontrahenten festgestellt.

Richter Jan Buchert stellt fest, dass die Lage für die Beamten unübersichtlich gewesen sei. Gerufen wurden sie nach eigenen Angaben wegen eines eskalierenden Ehestreits. Als der Angeklagte mit dem Kind im Auto versuchte wegzufahren, und dann auch noch die Ehefrau schreiend das Kind aus dem Wagen zerrte, sah es nach einer Kindesentführung aus. Dabei wollte Demet T., 41, die getrennt lebende Ehefrau, nur vermeiden, dass ihr Sohn mit in den Streit hineingezogen wird.

Ansonsten zeigen sich die Eheleute im Gerichtssaal friedlich. Für die Beleidigungen habe sich der Angeklagte entschuldigt, über das Umgangsrecht der Kinder sei man sich auch einig. Einer Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage, die der Richter vorschlägt, will der Angeklagte allerdings auf keinen Fall zustimmen, da er sich für unschuldig hält.

Im Ergebnis kann er zufrieden sein, denn der Richter spricht ihn vom Vorwurf des Widerstands gegen die Staatsgewalt frei. Von beiden Seiten werde das Geschehen etwas theatralisch dargestellt, die Situation sei eskaliert und das Verhalten der Polizisten wahrscheinlich nicht verhältnismäßig gewesen. So wird der Angeklagte nur wegen der Beleidigungen zu einer Geldstrafe von 400 Euro verurteilt.