Die Wietersmieter aus Norderstedt sind die Stars eines NDR-Werbefilms, den der erfolgreiche Regisseur Detlev Buck im Stadtpark drehte.

Norderstedt. Buck kommt. Wie erwartet in einem ungewaschenen, badezimmerkachelgrünen Mercedes Coupé 230 CE. Der Mann ist schließlich Landwirt. Daran kann scheinbar auch die Tatsache nichts ändern, dass Detlev Buck, 1962 geboren in Bad Segeberg, groß geworden auf einem Bauernhof in Nienwohld zwischen Bargfeld-Stegen und Itzstedt, es im Nebenberuf zu einem der erfolgreichsten deutschen Regisseure gebracht hat.

Buck stellt den Benz gleich hinter dem Bauernhof des Norderstedter Stadtparks ab. Er steigt aus dem Wagen und macht sich auf Motivsuche. Licht- und Tonleute der Buckschen Produktionsfirma wuseln herum, immer bereit für das Go vom Chef.

Die Stars des Drehtages stehen in schwarzen Anoraks aufgereiht am Zaun des Stadtpark-Bauernhofs und wirken ein wenig wie bestellte, aber nicht abgeholte Pinguine - Norderstedts einzige Boßeltruppe, die Wietersmieter. "Ich kam aus der Reha, da wurde ich angerufen. Ob wir nicht diesen Werbefilm für das NDR-Fernsehen mit Detlev Buck drehen möchten", sagt Ute Oswald, Ober-Boßlerin des Vereins und stolz wie Bolle, weil sie jetzt mit "diesem berühmten Regisseur" drehen.

Es werden Leute gezeigt, die das Beste im Norden ausmachen

Ein Casting, mit den Worten von Wietersmieter Klaus Wilhelm, 67, besser gesagt ein "Kassding", hätte darüber entschieden, wer aus dem Verein mit seinen 55 Mitgliedern dabei ist. "War nicht viel, ich musste nur den Satz sagen und gut." Der Satz war: Das Beste an Weihnachten sind unsere Kugeln! Wilhelm, mit seinem kugelrunden Kopf und den lustigen Augen, hat den Satz irgendwie am besten gesagt. Oder am norddeutschesten.

Denn es geht um das Beste am Norden bei diesem Dreh. Jene Spots, die Detlev Buck seit drei Jahren für den NDR produziert, die das Programm des Senders durchsetzen und zwischen den Formaten den Wahlspruch der Anstalt mit Leben füllen, sprich mit den Leuten aus dem Norden, die das Beste des Landes eben ausmachen, wie Patricia Poelk, die Art Direktorin des NDR, sagt: "Dass die 52 Spots einen derartigen Erfolg haben würden, haben wir vor drei Jahren selbst nicht erwartet."

Das liegt daran, dass Detlev Buck weiß, wie die Leute im Norden ticken. Weil er selber so tickt. Phasenweise einsilbig, furztrockener Humor, down to earth, 'tschuldigung, bodenständig natürlich. "So, Moin zusammen!", begrüßt er die Wietersmieter. Dann erklärt er, was die Wietersmieter zu tun haben. "Ihr sollt boßeln, so wie ihr das immer tut. Kann das mal eben einer vormachen?" Einer wirft die Boßelkugel, das Ding zischt den Weg entlang und saust in den Graben. "Verdammt schnell, die Dinger", sagt der Regisseur, der von seinen Leuten ständig nur Buck gerufen wird und jetzt ein filmtechnisches Problem hat. Wenn auch eher mickrig, verglichen mit denen, die es mutmaßlich beim Dreh seines Kino-Erfolgs "Die Vermessung der Welt" in den feuchten Urwäldern Ecuadors gegeben haben mag. "Die Kugel ist zu schnell, so kriegen wir sie nicht drauf."

Die Köpfe fliegen in den Nacken, und die Kamera hält immer drauf

Dann kommt eine junge Frau mit Mütze und sagt, die Wietersmieter hätten zu viel Werbung auf den schwarzen Jacken. Da steht "Wietersmieter" drauf. "Aber so heißen wir doch!", protestiert Ute Oswald. "Wie? Ihr heißt so - was heißt das denn?", sagt Buck. Na, Weiterschmeißer, nur op Platt. "Ach so, ja dann", sagt Buck. Die Wietersmieter boßeln und ziehen einen weihnachtlich geschmückten Bollerwagen mit einer abgeklebten Flasche Kräuterlikör und sternenverzierten Boßelkugeln hinter sich her, und Buck filmt. "Wenn wir jetzt nicht einen heben dürfen, geht das hier nicht weiter!", ruft ein Wietersmieter. "Das filmen wir gleich", sagt Buck und dirigiert die Kamera, eine kleine handelsübliche Canon 7D mit Wechselobjektiven ("Weniger Technik, mehr Mensch"). "Lüch op!" (Heb auf!") skandieren die Wietersmieter, werfen die Köpfe in den Nacken und schlabbern die Kräuterlikör befüllten Tonkrüglein leer, die jedem an Bändeln um den Hals hängen.

Jetzt kommt wieder die Frau mit der Mütze und will das handgemachte "Wietersmieter"-Schild vom Bollerwagen knibbeln ("Werbung! Wir senden landesweit!"). "Die will das Schild wegmachen!", sagt eine Wietersmieterin zu ihrem Mann. "Nix da. Das Schild bleibt dran", sagt er. Buck zur Mützenfrau: "Och, nu' stellt euch nicht an. Da kommt einer direkt davor - sieht nachher kein Mensch!" Amen.

Ein Boßel-Kamerad haut Buck nach dem Schnaps an: "Stört das, wenn ich jetzt hier nich mehr stehe?" Buck: "Nö, du kannst ruhig los." Der Wietersmieter geht: "Ich muss nämlich noch wohin, Tschüss." Buck klopft ihm zum Abschied auf die Schulter: "Ihr könnt vielleicht Termine haben, hier in Norderstedt, ts!"

Jetzt hat der Star des Spots, der "Kassding"-Sieger Karl Wilhelm, seinen Einsatz. Er bekommt ein Mikro ans Revers gefriemelt, den Markennamen auf der Trainingsjacke abgeklebt und soll nach einem Schluck Likörchen "Das Beste an Weihnachten sind unsere Kugeln!" sagen. Also nicht wie sonst in den Spots "Das Beste am Norden". Denn das hier ist eine Weihnachtsausgabe für den ersten Advent. Karl Wilhelm muss noch die Bauwollmütze um 90 Grad auf seiner Murmel drehen (Lacoste-Logo), dann sagt er überzeugend wie ein Boßel-Kuddel von nebenan den Satz. Buck schaut sich das, was die Kamera einfängt, auf einem kleinen Bildschirm an und sagt "Cut! Das war gut! Aber mach noch mal mit einem Nicker am Ende." Wilhelm nickt wie befohlen im zweiten Take. "Nö, davor war besser!"

Wenn Laien Szenen wiederholen müssen, fehlt schnell der Zauber des Unperfekten. Deswegen macht Buck hier nicht lang rum. Nach kaum drei Stunden ist Drehschluss. So lange brauchen die beim Film sonst nur für eine Szene. Detlev Buck: "So Leute, fertig, danke euch! Hat Spaß gemacht?" Die Wietersmieter grinsen und danken zurück. "Noch ein paar Mal die Szene mit dem Likör und wir wären dun gewesen!", sagt ein Boßler. "Von dem bisschen Likör, das glaub ich euch jetzt nicht", sagt Buck. Dann gibt's Glühwein für alle.

Der Wietersmieter-Spot wird am 1. Advent im Programm des NDR zu sehen sein.