Die Polizei-Bigband Schleswig-Holstein wird 2015 aufgelöst. Die Musiker suchen ihre Zukunft in Schulturnhallen

Es gibt glamourösere Orte für eine Bigband als die Turnhalle der Grundschule am Lütjenmoor in Norderstedt. Und es gibt anspruchsvollere Orchester-Stücke als "Hey, hey, Wickie!" Und doch sind Turnhalle und Wickie für die stolze Polizei-Bigband des Landes Schleswig-Holstein mit ihrer über 80-jährigen Tradition so etwas wie die letzte Hoffnung.

2015 ist Schluss mit dem Orchester. Das Innenministerium hat entschieden. Die 22 Orchestermusiker sitzen auf Stellen, die die Polizei für den operativen Bereich benötigt, also auf den Polizeiwachen des Landes, für den Polizisten auf der Straße, im Streifendienst, im Verkehr und bei der Verbrechensbekämpfung. Polizisten am Saxofon, am Schlagzeug oder an der Posaune kann und will die Behörde sich nicht mehr leisten. "Und viele Leute auf der Straße denken sowieso: Stellt die Trompete oder das Saxofon in die Ecke, setzt euch in die Streifenwagen und jagt Verbrecher, das ist viel wichtiger. Aber wir sind Musiker, keine Polizisten", sagt Jiri Halada, seit 2011 der Leiter der Bigband und Saxofonist.

Die Musiker in Polizeiuniform können keine Verbrecher jagen

Nur vier der 22 Kollegen seien musizierende Beamte, alle anderen angestellte Musiker, studiert und versiert. Aber nicht an der Dienstwaffe, sondern am Instrument. "Wenn es das Orchester nicht mehr gibt, können die uns eigentlich nur irgendwo in ein Büro setzen, zum Kaffeekochen", sagt Halada. Die Musiker seien alle in die Jahre gekommen, etliche haben es nicht mehr weit bis zur Rente. "Das Orchester einfach so lange noch weiterspielen lassen - das wäre das Beste."

Den Schwarzen Peter in der Geschichte hat jetzt Bernd Lohse vom Landespolizeiamt in Kiel. Er muss im Auftrag des Innenministers als Verantwortlicher die Abwicklung der Bigband betreiben. Nach Norderstedt ist er heute gekommen, um den Kollegen das Gefühl zu geben, "dass sie auf ihrem Weg begleitet werden". Es gehe darum, für die 22 Kollegen eine "Nachverwendung im Rahmen ihrer Fähigkeiten" zu finden. "Keiner von uns hat etwas davon, die Leute auf die Straße zu setzen. Wir müssen deren Know-how nutzen." Lohse kann sich schönere Aufgaben vorstellen. "Doch wir können uns lange wünschen, dass es mit dem Bigband weitergeht. Aber der Innenminister hat auch sein Zwänge."

Prävention und Musik - also Verkehrserziehung mit Showeinlage

Wie könnte also eine "Nachverwendung" für die Musiker aussehen, abseits von Kaffeekochen oder Rausschmiss? Die Kombination von Prävention und Musik ist ein Modell. Wie das aussieht, können Bernd Lohse und die Kinder und Eltern der Grundschule Lütjenmoor am Donnerstag in der Turnhalle erleben.

Die Polizei-Bigband hat sich in drei Reihen und mit für diesen Auftritt vorgesehenen 18 Männern und zwei Frauen aufgebaut. Die Grundschüler strömen kreischend und gespannt in die Turnhalle und setzen sich auf den Hallenboden. Zwischen ihnen und der Bigband stehen die beiden Verkehrserzieher Harald Poppe und Jürgen Schlichting von der Polizeidirektion Bad Segeberg. Poppe und Schlichting würden ohne die Bigband im Rücken jetzt einfach ihre spielerische Vorführung rund um die Sicherheit beim Radfahren und das richtige Überqueren der Straße beginnen. Doch im Wechselspiel mit den Einlagen der Bigband wird aus der Verkehrserziehung eine mitreißende Show.

Die Musiker in Polizeiuniform, mit blauen Harfen auf den Schulterstücken, bringen die Kinder mit TV-Melodien aus "Wickie und die starken Männer", Film-Musik aus "Fluch der Karibik" oder "Star Wars" und mit Rock-Krachern wie "Satisfaction" oder "We will rock you" zum Tanzen. Und zwischen den spaßigen Lektionen über Fahrradhelme, Schlussleuchten und Fahrbahnkanten dürfen die Kinder die Instrumente der Musiker raten. Die Musiker der geratenen Instrumente spielen dann einen kurzen Jingle, etwa aus TV-Serien wie Pippi Langstrumpf oder Tom & Jerry. "Wenn sich jetzt vielleicht nur eines dieser 200 Kinder hier in Norderstedt überlegt, es vielleicht mal mit dem Schlagzeug-Spielen zu versuchen, dann haben wir auch in dieser Hinsicht viel erreicht", sagt Jiri Halada.

Die Bigband der Polizei hat keine Lobby in der Landesregierung

Am Ende lassen die begeisterten Grundschüler vom Lütjenmoor die Bigband erst nach der dritten Zugabe in Ruhe. "Manchmal bringen wir sie gar nicht dazu, die Halle zu verlassen", sagt Verkehrserzieher Manfred Poppe. 60 bis 70 solcher Auftritte macht die Bigband derzeit im Jahr, etwa ein- bis zweimal im Monat ist die Bigband an irgendeiner Schule im Kreis zu Besuch. Gemeinsam mit dem Landespolizeiamt wollen die Musiker nun versuchen, dass es nach 2015 vielleicht genau so weitergehen kann. Prävention mit Musik. "Wann haben Kinder schon mal die Möglichkeit, eine Bigband zu erleben und echte handgemachte Musik?", sagt Jiri Halada.

Prävention ist nur eine von vielen Ideen. Denkbar ist auch, dass die verschiedenen Teile der Bigband als Kombos weiterbestehen können. 1991, sagt er, da war das Orchester noch 50 Mann stark. "Ein richtiges Blasorchester." Jetzt seien sie auf 22 Musiker zusammengestrichen worden. "Wir haben uns komplett neu aufgestellt. Es gibt in Deutschland nicht viele Polizei-Bigbands, wie wir es sind. Hamburger Kollegen wechseln nach Schleswig-Holstein, um bei uns dabei zu sein" Halada sagt, sie würden eben keine Musik mehr spielen, für die sie sich schämen müssten. "Wir gehen richtig ab - Jazz, Funk, Soul, wir haben alles drauf. Es ist eigentlich alles richtig schön."

Ganz aufgegeben hat Jiri Halada die Bigband noch nicht. "Obwohl wir keine Lobby in diesem Land haben." Politiker, die nichts mehr davon wissen wollen, dass die Bigband das Aushängeschild des Landes sei, das sympathische Verbindungsglied zwischen der Polizei und den Menschen, denen empfiehlt Halada: "Kommen Sie mal mit uns in die Turnhalle in Norderstedt. Dann können Sie sehen, dass das so ist."