Die Medizinerin fühlte sich im Kellerkind-Fall vom Kreisjugendamt nicht ernst genommen

Bad Segeberg . Das Jugendamt des Kreises Segeberg ist schon frühzeitig auf die Missstände in der Familie am Bussardweg in Bad Segeberg aufmerksam gemacht worden. Die Ärztin Dr. Beatrice Brockmann hatte sich nach eigenen Aussagen Ende August vergangenen Jahres an das Amt gewandt, um auf mögliche Vorkommnisse in der Familie hinzuweisen. "Ich hatte bei der Tochter Veränderungen festgestellt", sagte die Ärztin im Gespräch mit dem Abendblatt. Sie habe jedoch nur eine "pampige Antwort" bekommen.

Zu den Patienten der Allgemeinmedizinerin, die 13 Jahre in einer Gemeinschaftspraxis als niedergelassene Ärztin in Bad Segeberg tätig war, gehörte über Jahre hinweg auch die Familie am Bussardweg, die jetzt in den "Kellerkind-Skandal" verwickelt ist. Im Juni war ein dreijähriges Kind der Familie in einem völlig verdreckten Kellerraum entdeckt worden. Für Beatrice Brockmann war klar, dass dort irgendetwas nicht stimme. Über die Art die bei der Tochter beobachteten Veränderungen spricht sie mit Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht, aber sie reichten ihr aus, um die Schule und das Jugendamt zu informieren. "Bei mir ist der Eindruck entstanden, dass die Information nicht erwünscht war", sagte die Ärztin, die seit einigen Monaten in einer Kieler Praxis tätig ist. "Ich fühlte mich nicht ernst genommen."

Nach ihrem Anruf beim Jugendamt musste sie feststellen, dass die Familie innerhalb kurzer Zeit den Arzt wechselte, was bei ihr den Verdacht habe aufkommen lassen, das Jugendamt habe die Eltern über den Anruf informiert. In "drei oder vier" anderen Fällen habe sie das Jugendamt in den Jahren zuvor ebenfalls informiert, aber alle Gespräche seien "frustrierend" verlaufen. Nur einmal habe sie mit einer Mitarbeiterin des Amtes kompetent zusammenarbeiten können.

Manfred Stankat, stellvertretender Leiter des Kreisjugendamtes, widerspricht den Angaben der Ärztin nicht. "Ich kann mir vorstellen, dass es tatsächlich so war, aber offenbar hat das Telefongespräch für unsere Mitarbeiter keine neuen Erkenntnisse gebracht."

Nach seinen Angaben hat das Jugendamt nicht genügend Mitarbeiter, um sich um jeden Einzelfall ausreichend kümmern zu können. "Vieles ist nicht systematisch aufgearbeitet worden, wir nehmen die Kritik sehr ernst." Der Fall des dreijährigen Kindes wird in einem von der Landesregierung unterstützten"Fall-Labor" von Gutachtern und Experten aufgearbeitet. Dabei sollen, so Landrätin Jutta Hartwieg, Erkenntnisse für die Zukunft gewonnen werden, wie mit Fälle dieser Art umgegangen werden soll. Die Ergebnisse sollen bundesweit relevant sein.

Die Landrätin selbst hat trotz aller Kritik nie an einen Rücktritt gedacht. "Ich bin eine Ausdauerläuferin und innerlich ruhig", sagte sie gestern.