Angeklagter war beim Überholen mit einem entgegenkommenden Auto kollidiert . Der 42 Jahre alte Fahrer starb im Krankenhaus

Bad Segeberg. Nicole F., 32, aus Neumünster versucht mühsam, die Tränen zurückzuhalten, als sie im Segeberger Amtsgericht zum ersten Mal dem Mann gegenübersteht, der durch ein riskantes Überholmanöver im Januar dieses Jahres den Tod ihres Lebensgefährten verursacht hat.

Die Unglücksfahrt hat sich aus Sicht des Angeklagten folgendermaßen ereignet: Es geschah auf einer Landstraße in Höhe Bornhöved nachmittags gegen 14 Uhr. Der Angeklagte musste mit seinem Iveco-Sprinter, nachdem er schon längere Zeit mit Tempo 80 hinter einem Laster hergefahren war, auf 40 km/h herunterbremsen, weil vor dem Sattelschlepper nun auch noch ein Trecker die freie Weiterfahrt behinderte. Zeugen berichten davon, dass der Angeklagte mehrfach nach links und rechts ausgeschert sei und anscheinend voller Ungeduld auf eine Möglichkeit zum Überholen wartete.

Der Angeklagte bestätigt, dass er nach rechts ausgeschert sei, um vor einer Rechtskurve die Straße einsehen zu können. Ein entgegenkommendes Fahrzeug lässt der Autovermieter passieren und schert dann zum Überholen aus. In diesem Moment sieht er einen Opel Combo, der ihm entgegenkommt, kann aber nicht mehr ausweichen. "Es ging alles so schnell", so der Angeklagte, der einen Knall hörte und den Airbag im Gesicht fühlte.

Er und sein Beifahrer kletterten fast unverletzt aus dem Sprinter, während der 42-jährige Fahrer des entgegenkommenden Wagens eingeklemmt in seinem völlig zerstörten Auto festklemmte. Feuerwehrleute mussten den Mann aus dem Wrack schneiden. Er wurde nach Kiel in eine Klinik geflogen und dort dreimal operiert; er erlitt schwerste Gehirnverletzungen. Nach einigen Tagen verstarb er, beziehungsweise seine Lebensgefährtin Nicole F. entschied gemeinsam mit den Ärzten, die Maschinen abzuschalten, wie sie unter Tränen erzählt.

Der Unfall brachte großes Leid über die junge Frau und ihre zwei Kinder: Aus ihrer nun nach Meinung des Amtes zu großen Wohnung mussten sie ausziehen, mit den Versicherungen kämpft Nicole F. um eine Rente für den Sohn und Ersatz der Beerdigungskosten.

Der Angeklagte hört das alles mit erschütterter Miene. Seine Eintragungen im Verkehrszentralregister hinterlassen den Eindruck eines rücksichtslosen Verkehrsrowdys: Es gibt fünf Eintragungen wegen zu schnellen Fahrens, wobei zweimal sogar ein mehrwöchiges Fahrverbot ausgesprochen wurde.

Das beim Lesen der Akte entstandene negative Bild hat der Angeklagte durch sein kooperatives Verhalten und die gezeigte Reue nach Ansicht der Richterin zwar korrigiert. Trotzdem hätten ihn die bisherigen Sanktionen längst zu einem vorsichtigeren Handeln im Straßenverkehr veranlassen müssen, stellt die Richterin fest.

Es war ein "dramatischer Irrtum", betont der Verteidiger, der aber ebenso wie alle anwesenden Justizvertreter der Meinung ist, dass eine Freiheitsstrafe sein müsse. Die bleibt am untersten Rand des Möglichen: Neun Monate mit Bewährung lautet das Urteil, und der Führerschein bleibt für ein weiteres Jahr eingezogen. Außerdem muss der Angeklagte eine Geldbuße von 1200 Euro, zur Hälfte an die Segeberger Feuerwehr und zur Hälfte an die Erziehungsberatung, bezahlen.