Ein Bäckereigeselle ist wegen sexueller Nötigung angeklagt. Der 56-Jährige streitet alles ab. 19-Jährige leidet unter Angststörungen.

Kayhude/Bad Segeberg. Jessica L. war daran gewöhnt, dass ihre männlichen Arbeitskollegen sie gelegentlich anflirteten oder auch mal einen Spruch machten.

Die hübsche, 19 Jahre alte Auszubildende bewohnt eine kleine Wohnung über ihrem Ausbildungsbetrieb, einer Bäckerei in Kayhude. Ende November vergangenen Jahres, am Morgen des ersten Advents beendeten Jessica L. und ihr Kollege Werner B., 56, gemeinsam die Nachtschicht. Die junge Frau verabschiedete sich, als ihr der Kollege hinterherrief, er könne die Nacht ja bei ihr verbringen - für die Auszubildende war das nicht mehr als ein Scherz, den sie mit einem Lachen abtat.

Doch kurz danach klingelte Werner B. an der Wohnung der jungen Frau. Er wolle sich einmal die Wohnung ansehen, soll B. zu Jessica L. gesagt haben. Die 19-Jährige ließ ihren Kollegen herein, hoffend, ihn schnell wieder los zu sein, da sie auf dem Weg ins Bett war.

Der Angeklagte ist zu keiner Kooperation mit dem Gericht bereit

Doch Werner B., zu dem das Verhältnis eigentlich freundschaftlich gewesen sei, so die Auszubildende, schloss die Tür, hob die junge Frau hoch und trug sie ins Wohnzimmer, wo er sich mit der jungen Frau, die sich heftig wehrte, in einen Sessel setzte. Er wolle ihren Busen sehen, soll der 56-Jährige gefordert haben. Dann, so die 19-Jährige, habe B. unter ihrem T-Shirt mit einer Hand ihren BH geöffnet. Während des Vorfalls hielt der kräftig gebaute Mann die junge Frau mit festem Griff in seinen Armen.

Diese Schilderung von Jessica L. hielt die Staatsanwaltschaft für glaubwürdig und klagte B. wegen schwerer sexueller Nötigung an. Im Falle eines Geständnisses hätte der nicht vorbestrafte Bäckereigeselle ohne mündliche Verhandlung davonkommen können, aber der Angeklagte ist zu keiner Kooperation bereit.

Diese Linie fährt er auch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in Bad Segeberg, wo er durch seinen Anwalt eine Erklärung verlesen lässt. Danach gibt der Angeklagte zwar zu, in der Nacht auf den ersten Advent in der Wohnung der jungen Arbeitskollegin gewesen zu sein. Jessica L. habe ihn aber selbst dazu aufgefordert, als er schon im Auto gesessen habe und auf dem Heimweg gewesen sei. Außer einer Umarmung zum Abschied habe er die junge Frau nicht angefasst.

Auf die Frage von Amtsrichterin Sabine Roggendorf, warum sich die Auszubildende eine solche Geschichte ausdenken solle, weiß der Angeklagte keine Antwort. Gutes Zureden sogar seitens des Verteidigers, ob nicht vielleicht doch "aus Versehen" eine unzüchtige Berührung stattgefunden habe oder sein Mandant nicht gemerkt habe, wie weit er gehen könne, nützen nichts: Der Angeklagte beharrt auf seiner Unschuld, mit der Folge, dass Jessica L., die verängstigt mit ihrer Mutter in einem Nebenraum gewartet hat, nun doch eine Aussage machen und ihrem vermeintlichen Peiniger begegnen muss.

Die Auszubildende brach wenige Tage später in der Backstube zusammen

Teilweise unter Tränen schildert die junge Frau detailreich den Vorfall, der dazu geführt hat, dass sie bis heute unter Angststörungen leidet. Nachdem der Angeklagte von ihr abgelassen hatte, suchte sie eine Freundin auf und erzählte ihr von dem Vorfall, nahm den Rat, zum Chef zu gehen, aber erst Tage später an, als sie in der Backstube beim Verzieren von Adventskeksen weinend zusammenbrach. Dem Angeklagten, der seinem Chef gegenüber die Belästigung der Auszubildenden zugab, wurde fristlos gekündigt.

Da der Angeklagte auch nach der Aussage der jungen Frau weiter alles abstreitet, setzt die Richterin einen weiteren Verhandlungstermin an, zu dem der Chef und die halbe Belegschaft der Backstube geladen werden.