Eine Glosse von Harry Grunwald

Ich kann mich nicht daran gewöhnen, auch wenn es diesen Anblick inzwischen seit Jahren gibt: Am Nebentisch des Bäckerei-Cafés sitzt eine junge Frau allein vor ihrem Cappuccino und redet vor sich hin: "Und ich sage noch, tickst du vielleicht nicht ganz sauber, suche dir eine andere dumme Kuh für solche Sachen, und dann habe ich ihn rausgeschmissen, basta, was sagst du dazu", schnattert sie und schaut mich an oder mehr glatt durch mich hindurch.

Ich kann also nicht gemeint sein, ein anderer Gesprächspartner ist auch nicht in Sicht. Erst auf den zweiten Blick entdecke ich das winzige Headset an ihrem Ohr, sie führt also keine Selbstgespräche, sie hat Ärger mit ihrem Schatz gehabt und muss sich jetzt per Handy alles von der Seele reden. Irgendwo sitzt also ihre Freundin, die ebenfalls vor sich hin erzählt.

Eine neue Gesprächskultur, die sich früher kaum jemand vorstellen konnte. Damals hätten solche Einzel-Redner argwöhnische Blicke auf sich gezogen, vielleicht wäre sogar jemand unauffällig zur nächsten Telefonzelle gegangen und hätte 112 gewählt. Heute gilt es mit Recht als unhöflich, wenn man einen Headset-Telefonierer anstarrt. So telefoniert es sich ja auch viel bequemer, als wenn man das Handy ans Ohr halten muss.

Mir fällt dazu eine Redensart meiner Großmutter ein: "Wenn man so etwas früher gesehen hätte, hätten die Leute geglaubt, der Deibel ist los", pflegte sie bei fast allen technischen Neuerungen zu sagen.