Der Wilstedter Männergesangverein Harmonie feiert sein 90-jähriges Jubiläum am Sonnabend in der Tangstedter Kirche.

Tangstedt. Prachtvolle Umzüge durch die Dörfer, nächtelange bunte Maskeraden, volltönende Chorgesänge und viele gesellige Sängerbälle, dazu fröhliche Ausflüge und launige Übungsabende - die Sänger des Wilstedter Gesangvereins Harmonie wussten, wie gefeiert wird. 90 Jahre lang. Jetzt feiern sie wieder. Am Sonnabend, 13. Oktober, geben die Sänger zu ihrem 90. Vereins-Geburtstag ein Jubiläumskonzert in der Tangstedter Kirche. Es beginnt um 17 Uhr und wird zu einem großen Sängertreffen. Denn als Gastchöre treten der Landfrauenchor Tangstedt auf, der Gesangverein Wakendorf II und der Männergesangverein Groß Rönnau.

In Wilstedt war es Tradition, im Männergesangverein Mitglied zu sein. Aktives Mitglied. Dem Vater folgten der Sohn und der Enkel. Die Ehefrauen sorgten bei Festen für Kuchen, Torten und für den Blumenschmuck bei den Umzügen. Die Sängerbälle und Maskeraden waren gesellschaftliche Ereignisse im Dorf, wurden in der Wilstedter Mühle gefeiert und das, bis der Morgen schon hell leuchtete.

Den Maskeraden-Bällen der Erwachsenen gingen nicht selten am Nachmittag fröhliche Kinder-Maskeraden voraus. Mit gelber Brause als Getränke-Hit und so mancher kleiner Prinzessin, die einen Preis für ihr Kostüm ergatterte. Und wenn jemand im Dorf silberne oder goldene Hochzeit, einen runden Geburtstag oder ein anderes Jubiläum feierte, waren die Sänger selbstverständlich dabei und schmetterten ein Ständchen. Der Männergesangverein Harmonie war - und ist - in Wilstedt neben der Feuerwehr ein gesellschaftlicher Motor.

Dabei hatten die Männer anfangs noch starke Konkurrenz, und die kam nicht selten aus dem eigenen Haus, von den Ehefrauen. Als "Liederkranz" Wilstedt wurde der Chor 1922 gegründet. Mit Frauen. Doch sechs Jahre später meinten die Sängerinnen, das Chorleben sei ausgeartet. Sie stiegen aus.

Die Männer blieben unter sich. Auch, was das Dorf anging. Denn nur Wilstedter durften im Wilstedter Männergesangverein mitsingen. Keine Glashütter. Und erst recht keine Tangstedter! "Das hat sich heute geändert, uns sind Sänger aus allen Orten willkommen", sagt Hans Peter Dolberg, erster Vorsitzender der Sänger. Und eine Frau ist auch wieder in die Männer-Domäne eingedrungen, und das gleich an erster Stelle. Margarita Schablowskaja dirigiert die Herren, und sie singen, was sie ihnen anschlägt.

1932 feierten die Wilstedter Sänger ihren zehnten Geburtstag mit einem Sängerfest. Die ehemaligen Sängerinnen schenkten ihnen die erste Vereinsfahne, die heute noch bei Umzügen getragen wird. 1933. Ein furchtbares Jahr für Deutschland, und auch in Wilstedt trug so manch' einer das Hakenkreuz unterm Hemdkragen. Die Sänger übten weiter neue und alte Lieder. Doch immer dünner wurde der Chor, bis er 1942 nur noch einstimmig agieren konnte und dann ganz aufgeben musste. Zu viele Sänger wurden in den Krieg kommandiert. Viele kamen zurück, einige nicht. 1946 fanden sich die Sänger wieder zusammen. 22 Männer waren es, eine Zahl, von denen heute manche Chöre träumen. 1948 organisierten sie wieder ein Sängerfest, wieder mit Umzug durchs Dorf und Sängerball. Einzige Verpflichtung für jeden Sänger: Gut bei Stimme sein und 50 bis 100 Gramm Fleisch für die Erbsensuppe für Sänger und Gäste abliefern.

Strenges Reglement herrschte auch bei den Übungsabenden. Allerdings maßregelte der Gesangverein Harmonie nicht. Er belohnte diejenigen, die am häufigsten zum Übungsabend erschienen mit - Zigarren. 1940, so das Vereinsprotokoll, mussten sich Johannes Lentfer und Karl Timmermann eine Kiste Zigarren teilen. Es folgten Weihnachtsbälle und die berühmt(berüchtigten) Preis-Maskeraden.

Heute lädt der Männergesangverein am 1. Mai zum Maisingen vor dem Feuerwehrhaus auf Wilstedts Dorfplatz neben dem Kleinen Teich ein. Die Sänger veranstalten Liederabende, singen zu Gedenkveranstaltungen, auf Geburtstagen und anderen Festen.

"1972 legte sich der Verein zum 50. Geburtstag eine neue Fahne zu, die aber sehr gelitten hat. Dank einiger Spenden konnten wir sie restaurieren und werden sie zum 90. Geburtstag wieder aufziehen", sagt Dolberg. Haben die Sänger einen Geburtstagswunsch? "Klar", sagt Hans Peter Dolberg, "Viele Sänger in allen Stimmlagen."