Trotz hohem Unsicherheitsfaktor: Gelungener Auftakt der Abonnements-Saison mit Karin Dor in der Komödie “Der dressierte Mann“.

Norderstedt. Das ist so eine Sache mit dem Lampenfieber. Nicht immer packt es die Schauspieler, manchmal sind auch die Veranstalter dran. So beim ersten Theaterstück der neuen Norderstedter Abonnements-Saison, das im Kulturwerk am See stattfand. "Der dressierte Mann" stand auf dem Programm.

Das Kulturwerk hat zwar seit seiner Eröffnung Ende März 2012 so einige Stresstests bestanden, trotzdem war der Unsicherheitsfaktor hoch. Würde das Publikum, von der "TriBühne" und ihren Annehmlichkeiten wie Parkplatz direkt unter und am Theater, U- und Busbahnhof vor der Tür, die neue Spielstätte annehmen?

"Ich hoffe, Sie fühlen sich hier in unserem neuen Theater mit seinem ganz eigenen Charme genauso wohl wie wir", begrüßte Gabriele Richter das erste Abo-Publikum im Kulturwerk, während Rajas Thiele, Geschäftsführer der Mehrzwecksäle Norderstedt, zu dem das Kulturwerk gehört, mit seinem Team die Technik mit Argusaugen überprüfte.

Das Publikum teilte die Begeisterung. "Wir waren sonst immer in der TriBühne, doch hier gefällt es uns auch sehr gut, vor allem, weil viel Originales des ehemaligen Kalksandsteinwerks erhalten wurde", sagte Ursula Tretow, 76, die mit Ehemann Horst seit 1935 in Norderstedt lebt.

"Der Parkplatz ist auch hier direkt vor der Tür. Vor allem aber ist die Akustik gut, und man hat von allen Plätzen einen guten Blick auf die Bühne, sogar vom zweiten Rang, in dem wir sitzen. Das Kulturwerk ist eine angenehme Überraschung", sagte Horst Tretow, 76. "Ich bin einfach begeistert", sagte auch Ursula Druve, 72, "denn es ist eine gute Idee, aus dem alten Werk ein neues Theater zu bauen".

Auch die Schauspieler des Tourneetheaters Thespiskarren fühlten sich wohl. "Das ist ein sehr angenehmes Haus", sagte Karin Dor. "Die Atmosphäre ist sehr inspirierend", sagte Marianne Rogée, die als Isolde in der TV-Serie "Die Lindenstraße" zum Star wurde und ein Stück dieses Flairs auf die Kulturwerkbühne brachte.

Mit ihren Theaterkindern Martina Dähne als Karrierefrau Helen und Stephan Schieberger in der Titelrolle des dressierten Mannes Bastian brachten die beiden großen Damen des Theaters ein schnelles, packendes und pointenreiches Spiel auf die Bühne im großen Saal des Kulturwerks in Norderstedt. Nicht nur Karin Dor und Marianne Rogée zeichneten sich durch eine hervorragende Sprechkultur aus, sondern auch die jüngeren Schauspieler Martina Dähne und Stephan Schieberger. Das indes ist auch der guten Akustik des Saales und der Nähe des Publikums zur Bühne geschuldet. Kein Orchestergraben muss überwunden werden, Richtmikrofone wie in der "TriBühne" sind in dem kleineren Saal nicht notwendig, und so wird die Sprache schnell und direkt transportiert.

Jede Nuance der Sprachmelodien des Schauspieler-Quartetts verstärkte den klugen, frechen, teils pragmatischen, aber dadurch gerade so saukomischen bis satirischen Text der bitterbösen Komödie um Macht und Ohnmacht in einer Ehe. Am meisten Vergnügen beim Zuhören bereiteten Marianne Rogée und Martina Dähne. Karin Dor stand die Rolle der Grande Dame exzellent. Mit Esprit und einem inneren Selbstverständnis setzte sie die Rolle der Frau um, die es als ihre Aufgabe ansieht, mehreren Ehemännern dadurch Befriedigung bereiten zu können, dass diese sie aushalten dürfen.

Das Publikum im Kulturwerk am See amüsierte sich kräftig und kannte offenbar viele Situationen aus dem eigenen Eheleben. Ein gelungene Ménage à Quatre in einem gelungenen neuen Theatersaal.