Der Fraktionschef der Linken, Miro Berbig, regt die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Norderstedt an.

Norderstedt. Menschen mit schmalem Geldbeutel finden in Norderstedt zunehmend keine Wohnung mehr. Senioren, Geringverdiener, Studierende, Sozialhilfeempfänger oder Arbeitssuchende werden zu Randständigen auf einem Wohnungsmarkt, der sich fast ausschließlich an Profit orientierte Modelle hält.

"Dabei ist der Bedarf an gefördertem Wohnraum höher denn je und wird in den nächsten Jahren dramatisch steigen", sagt Miro Berbig, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Stadtvertretung Norderstedt.

Da die private Wohnungswirtschaft keinen sozialen Wohnungsbau mehr betreibt, sieht Berbig nun die Stadt Norderstedt in der Pflicht gegenzulenken. Und zwar mit einer "NoWoBau", einer kommunalen Norderstedter Wohnungsbaugesellschaft. Berbig: "Die Stadt baut Wohnungen, nicht zur Gewinnmaximierung, sondern um den Bedarf der Menschen in dieser Stadt zu decken."

Wie dieser Bedarf aussieht, das hat das Beratungs- und Forschungsinstitut GEWOS im Auftrag der Stadtverwaltung 2009 ermittelt. Etwa 11 900 Haushalte in Norderstedt sind auf günstige und kleine Wohnungen in Norderstedt angewiesen. In den Haushalten leben Sozialhilfeempfänger und Arbeitssuchende, aber auch Studierende und Familien mit geringem Erwerbseinkommen sowie Rentner mit kleinen oder mittleren Rentenbezügen. 47 Prozent sind Ein-Personen-Haushalte, 30 Prozent Zwei-Personen-Haushalte.

Rein rechnerisch stand dieser Zielgruppe laut GEWOS ein ausreichendes Angebot von 12 600 Wohnungen im günstigen Preissegment gegenüber, also Wohnungen mit Nettokaltmieten zwischen sechs und sieben Euro pro Quadratmeter. Ein seit zehn Jahren stetig bröckelnder Anteil an Wohnungen unterliege der Mietpreisbindung. 2008 waren es noch 2350 Wohnungen, 20 Prozent weniger als noch 2001. Die Wohnungswirtschaft hat den sozialen Wohnungsbau weitgehend aufgegeben, da die Miete nach der Landesrichtlinie 5,10 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten darf. Fördergelder vom Land können die Lücke zu den üblichen Markmieten nicht mehr schließen.

Entsprechend drastisch ist das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bei den kleinen bezahlbaren Wohnungen. Lediglich 1100 Ein-Personen-Wohnungen stehen etwa 5600 Suchenden gegenüber, die jetzt entweder in für sie zu teuren großen oder überteuerten kleinen Wohnungen leben. Dieses Verhältnis verstärkt sich in den kommenden Jahren zunehmend durch den demografischen Effekt.

Miro Berbig schwebt vor, dass die "NoWoBau" nach ihrer Gründung "zunächst mit ein bis zwei Objekten zwischen 70 und 100 Wohneinheiten" beginnen könnte. Nach seinen Berechnungen müssten dafür etwa 30 Millionen Euro veranschlagt werden. Der Linke hat auch ein Finanzierungskonzept: "Ein Drittel der Summe holen wir uns von den Rückzahlungen der Fördergelder der privaten Wohnungswirtschaft, den Rest wie jeder brave Häuslebauer von der Bank." Grundstücke seien vorhanden, so Berbig. Nicht in bevorzugter Lage. "Aber man findet sie, wenn man genau hinschaut", so Berbig.

Dem möglichen Vorwurf, in Norderstedt soziale Ghettos entstehen lassen zu wollen, greift Berbig voraus: "20 bis 30 Prozent geförderter Wohnraum pro Objekt reicht, um den Bedarf zu decken - wenn es alle so machen würden. Mit den restlichen 70 Prozent könnte die Stadt noch genug Gewinn erwirtschaften, damit das ganze kein Zuschussgeschäft wird." Er ist sich sicher, dass die "kommunale Konkurrenz" den Wohnungsmarkt beleben würde. Berbig: "Wollen wir doch mal sehen, wie die Privaten reagieren, wenn die Stadt ihnen den Markt streitig macht."

Falls sich die privaten Wohnungsbauer selbst dann nicht bewegen, schreckt Berbig auch nicht vor Zwangsmaßnahmen zurück: Die Wohnungswirtschaft könne auch mit städtebaulichen Verträgen nach dem Baugesetzbuch zum Bau von geförderten Wohnungen gebracht werden. Berbig: "Wenn es nicht auf die vernünftige Tour geht, müssen wir die Gesellschaften halt zwingen."