Der im Jahr 1928 gegründete HSV Ochsenzoll wird nun endgültig aufgelöst, weil der Verein seine Gemeinnützigkeit verloren hat.

Norderstedt. Die Runde war überschaubar und entschlussfreudig. In wenigen Minuten haben 77 Mitglieder des Hamburger Sport-Vereins die Auflösung des HSV Ochsenzoll-Norderstedt endgültig beschlossen und somit das Ende von über 84 Jahren Historie auf Norderstedter Boden eingeleitet. Damit folgten die Anwesenden dem Antrag des Vorstandes und letztlich auch der Vernunft sowie dem Wunsch nach interner Harmonie. Schließlich sollte unbedingt vermieden werden, dass sich der Prozess zu einer Posse entwickeln würde.

Hintergrund ist der bereits 2009 erfolgte Verlust der Gemeinnützigkeit. Aufgrund dessen wäre der Verein gewerbe- und körperschaftssteuerpflichtig; auf den Nutzungsvertrag mit dem HSV würde zudem Umsatzsteuer erhoben. Jährlich betragen die Betriebskosten für das Gelände rund 700 000 Euro, es käme eine sechsstellige Steuernachzahlung zusammen.

Hierauf wollte der Traditionsklub natürlich verzichten. Zwar wurde 2010 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um etwaige Alternativen zur Auflösung - beispielsweise zur Rückerlangung der Gemeinnützigkeit - zu prüfen. Konkrete Möglichkeiten ergaben sich allerdings nicht. Letztlich waren in diesem Frühjahr alle Argumente ausgetauscht und für sentimentale Gefühle sowieso kein Platz mehr.

Die außerordentliche Mitgliederversammlung in der Sporthalle auf der Paul-Hauenschild-Anlage war gut vorbereitet. Während es bei dem ersten Votum am 5. Februar dieses Jahres noch 48 Nein-Stimmen gegeben hatte und das Amtsgericht Hamburg-Mitte die Abstimmung zudem aufgrund eines ungültigen zweiten Wahlgangs als rechtswidrig einstufte, gab es nun keinen Zweifel am finalen Charakter des Abends.

Rein formal hatte es zwar bereits am 30. Mai den Versuch eines Votums gegeben, doch laut Vereinssatzung hätten hierfür drei Viertel der weltweit verstreuten HSV-Mitglieder (Stand 1. Juli: 70 336) anwesend sein müssen. Im zweiten Anlauf genügt es dann, wenn drei Viertel der Anwesenden einem Antrag zustimmen.

Holger Criwitz, Vorsitzender des HSV Ochsenzoll-Norderstedt, gab in seiner kurzen Begrüßung die Linie vor: "Wir müssen es zu Ende bringen, sonst bekommen wir rechtliche Probleme. Und das würde ich dann nicht mehr mittragen. Ich bitte dringend darum, für die Auflösung zu stimmen."

Das Verhältnis zwischen dem "großen" HSV und dem Verein Ochsenzoll-Norderstedt wird seit Gründung des letzteren - damals, am 16. März 1928, noch ohne den Zusatz "Norderstedt" - durch Nutzungsverträge geregelt. Auch heute gilt: Wer dem HSV beitritt, ist automatisch in beiden Vereinen Mitglied. Der "Ochsenzoll" war stets zuständig für die Instandhaltung und Verwaltung des Areals im Stadtteil Harksheide.

Die "Väter" des HSV-Ochsenzoll waren Henry Barrelet, Paul Hauenschild, Emil Martens, Ernst Moss, Henry Krüger, Willo Meyering, Hans Schuhmacher und Walter Tachau. Die Sportanlage auf dem 130 000 Quadratmeter großen Gelände - ein Gemeinschaftswerk beider HSV-Vereine, des Hamburger Fußball-Verbandes sowie des Hamburger Sportamtes - wurde am 12. Dezember 1930 eingeweiht. Hauenschild, der insgesamt dreimal HSV-Präsident war und 1962 starb, vermachte seinem Verein ein Millionenvermögen. Dieses war zweckgebunden für den Ochsenzoll und ging in die nach dem Gönner benannte Stiftung über, die seit den 1960er-Jahren viele Neubauten finanziert hat - zuletzt 1999 das Internat für Jugendfußballer. Paul Hauenschild wollte übrigens stets die Eigenständigkeit des HSV Ochsenzoll beibehalten.

Dies wird bald Geschichte sein. Am 17. September, 19.41 Uhr, läutete Holger Criwitz die Versammlung ein. Kurz fragte er in den Saal, ob nicht doch noch jemand eine fundierte Alternative hätte. Niemand meldete sich. Anschließend entschieden die Mitglieder per Akklamation - 75-mal für die Auflösung, hinzu kamen zwei Enthaltungen. Gerade einmal zwei Minuten dauerte die Prozedur.

Nun werden sich drei Liquidatoren um die rechtlich vorgeschriebenen nächsten Schritte kümmern. Neben Criwitz sind dies Bernd Rodewoldt, Rechtsanwalt und Notar aus Norderstedt sowie Abteilungsleiter der Tennissparte, und Klaus Knickmeier. Wie es die Satzung vorschreibt, wird das Vermögen des HSV Ochsenzoll nun an den Hamburger SV übertragen. Rein rechtlich ist eine Liquidation abgeschlossen, wenn das Vermögen übertragen wurde, alle Forderungen eingezogen sowie Verbindlichkeiten beglichen sind.

Während der Name "Ochsenzoll-Norderstedt" erlöschen wird, besteht die Paul-Hauenschild-Anlage unter Verwaltung des HSV fort. Und doch darf spekuliert werden: Beispielsweise, ob der Verein mittelfristig Teile des Geländes nicht doch verkaufen könnte, um Erlöse zu generieren.