Vor 50 Jahren wurde in Deutschland die Autowaschanlage erfunden. Das Abendblatt hat sich in Norderstedt umgesehen und berichtet.

Norderstedt. Wer hätte das gedacht: Nicht in Amerika, sondern in Deutschland wurde die Autowaschanlage erfunden. Vor 50 Jahren, am 8. August 1962, meldeten Johann Sulzberger und Gebhard Weigele in Augsburg die erste "selbstständige Waschanlage für Kraftfahrzeuge" zum Patent an. Das Modell bestand aus zwei Bürsten, die während des Waschens auf Schienen das Auto umkreisten. Bis dahin hatten Autobesitzer die Wäsche in ebenso mühe- wie liebevoller Handarbeit vorgenommen, nun sollten Maschinen diesen Dienst übernehmen. Damals eine fast revolutionäre Neuerung; viele Autobesitzer waren anfangs skeptisch - sie hatten Angst um ihr teures Blech!

Mittlerweile sind Autowaschanlagen in unserem Alltag eine Selbstverständlichkeit. Laut dem Bundesverband Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche Deutschland (BTG) nutzen heute mehr als 70 Prozent der Autofahrer Waschanlagen. Insgesamt 15 900 Waschanlagen und Waschstraßen gibt es in Deutschland.

Streitereien darüber, wer zuerst in die Anlage darf, gibt es täglich

Doch was sagen schon Zahlen über die wahre Beziehung Mensch-Auto-Waschanlage aus? Ist die Fahrt durch die Anlage ein geschätztes Ritual oder bloß lästige Pflicht? Schlägt das Autofahrerherz tatsächlich höher, wenn der Lack im frischen Glanz erstrahlt? Und stimmt es wirklich, dass Männer lieber waschen (lassen) als Frauen? Wir haben uns anlässlich des Autowaschanlagen-Jubiläums einmal in Norderstedt umgesehen und umgehört:

Alfred Seefeldt ist seit 43 Jahren Tankwart. Wer könnte da besser Bescheid wissen als er? An der Aral-Tankstelle an der Ulzburger Straße ist er für die Autowaschanlage zuständig - und der 64-Jährige hat in den vergangenen Jahrzehnten schon so einiges erlebt: Kunden, die ihr Cabrio bei offenem Verdeck fluten, verpatzte Einfahrversuche - und bei Glatteis ist ihm sogar schon mal einer "mitten durch die Tür gefahren". Der Spaß hat dann 15 000 Euro gekostet. So etwas kommt natürlich nur selten vor. Tagtäglich sind dagegen die Streitereien in der Warteschlange. Doch Alfred Seefeldt nimmt das alles gelassen: "Dann schreien die sich ne halbe Stunde an, wer zu erst reinfahren darf. Unglaublich!" Wie bemerkte schon einst Tucholsky: "Der Deutsche fährt nicht wie andere Menschen. Er fährt, um Recht zu haben."

Heute geht es an der Waschanlagegesitteter zu. Nadia Schulze, 32, ist da, um ihren Sprinter zu waschen. Alfred Seefeldt fährt den Wagen in die Anlage. "Den großen Transporter fahre ich nicht so gerne selber rein. Bei meinem Privatwagen ist das etwas anderes", sagt die kaufmännische Angestellte.

Stimmt es also, dass Frauen eher ungern waschen? Theresa Lückner, 25, kann das nicht bestätigen. "Ich wasche sehr gerne! Das ist doch ein schönes Gefühl, wenn alles sauber ist", sagt die Erzieherin. Ganz hinten in der Schlange steht Peter Lehmann. Der 55-jährige Berufskraftfahrer wäscht eher aus Pflichtgefühl. "So einmal im Monat muss das schon sein", sagt er. Ein- bis zweimal im Monat den Wagen waschen - das ist auch die Empfehlung von Alfred Seefeldt.

Zwei Jahre nach der Waschanlage wurde die Waschstraße erfunden

Die Waschstraße wurde übrigens zwei Jahre nach der Waschanlage erfunden, im Jahr 1964. Der wesentliche Unterschied: Hier darf der Kunde sitzen bleiben. Bei Soft Car Wash an der Segeberger Chaussee rollt gerade Katharina Offermanns in ihrem schwarzen Kleinbus durch die Anlage. Der Wagen der 30-jähirgen Lehrerin aus Norderstedt hat schon eine beachtliche Staubschicht vorzuweisen. "Im Moment parkt der Wagen immer unter Bäumen, da wurde es höchste Zeit für eine Wäsche", sagt sie. Sven Lübs, 21, trifft man hier häufiger. Der Kfz-Mechatroniker fährt berufsbedingt mehrmals täglich durch die Waschstraße. Dass die Waschanlage runden Geburtstag feiern, lässt ihn eher kalt: "Sie gehört nun mal zu meinem Job."

Bleibt die Frage, wo eigentlich die 30 Prozent ihre Autos waschen, die keine automatische Anlage nutzen. Auch heute gibt es noch viele, die eine Handwäsche bevorzugen. Bei Autopflege & Co. am Diestelweg können Autobesitzer ihre Fahrzeuge komplett von innen und außen säubern lassen.

Der Norderstedter Integrationsbetrieb beschäftigt 36 Mitarbeiter, mit und ohne Handicap. Hier wird in mühevoller Handarbeit geschrubbt und gewaschen - von Motorwäsche bis Lackaufbereitung ist fast alles möglich. In der XXL-Waschbox werden neben Autos auch Transporter und sogar Boote gewaschen. Mitarbeiter Ryan Chothia, 25, und Sascha Rehberg, 29, sind gerade an einem Transporter der Norderstedter Werkstätten zugange.

Ob vollautomatisch oder von Hand - letztlich bleibt es jedem Autofahrer natürlich selbst überlassen, wie, wie oft oder ob er sein Auto überhaupt wäscht!