Norderstedt. Der Streit zwischen den Nachbarn in einer Norderstedter Reihenhaussiedlung schwelt schon länger. Immer wieder fühlen sich die Anwohner vom Lärm der Familie S. gestört. Ein Vorfall im Mai vergangenen Jahres bringt dann das Fass zum Überlaufen: Sarah S., 18, stritt sich lautstark auf der Terrasse mit ihrem Stiefvater. Nachbarin Marion O., 52, trat auf ihren Balkon und bat die Streithähne, ihre Auseinandersetzung doch im Haus auszutragen. Sarah S. beschimpfte sie daraufhin mit wüsten Ausdrücken. Anschließend flog eine volle Bierflasche auf den Balkon von Marion O. und durchschlug ein Plastikspalier. Marion O. erstattete Anzeige - und nun gab es ein Wiedersehen vor dem Amtsgericht in Norderstedt.

Die unter anderem wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Beleidigung angeklagte Sarah S. wird zurzeit in einer psychiatrischen Klinik wegen ihrer Aggressionen stationär behandelt, wie sie freimütig erzählt. Die Angeklagte gibt die Beleidigungen zu, behauptet aber, Marion O. habe damit angefangen und sie als "asoziales Pack" beschimpft. Den Wurf mit der Bierflasche bezeichnet die Angeklagte als Überreaktion, sie habe aber bewusst nicht in Richtung der Nachbarin gezielt und den Schaden von 40 Euro inzwischen ersetzt.

Nachbarin Marion O. bestätigt die Zahlung, die aber erst nach anwaltlicher Aufforderung erfolgt sei. Die Zeugin berichtet von dem teilweise unerträglichen Lärm der Nachbarfamilie. Als asozial habe sie einmal in einem Gespräch mit der Mutter der Angeklagten deren Verhalten bezeichnet, ansonsten gehöre ein solches Wort nicht zu ihrem Vokabular. Versöhnliche Töne schlägt die Zeugin an, als sie zur Angeklagten in freundlichem Ton sagt: "Wir wollen doch nur friedlich mit euch zusammenleben." Auch bei der Angeklagten sind keine Aggressionen mehr spürbar. Sie erregt Mitleid, als sie weinend vom Tod ihres Vaters Ende Juni erzählt und dass sie damit nicht fertig werde. In der Therapie gehe es ihr besser.

Jugendrichterin Claudia Naumann sieht ein, dass bei der Angeklagten die Arbeit an ihrer Persönlichkeit im Vordergrund stehen muss. Sie spricht eine Verwarnung aus und erlegt ihr die Teilnahme an zehn Beratungsgesprächen bei der Suchtberatung auf, die auch bei Aggressionsproblemen helfe und bei der Wohnungssuche. Sarah S., die mit Freude den Beruf einer Malerin erlernt, möchte nämlich so schnell wie möglich von zu Hause ausziehen.