Wer Schlager erwartete, wurde enttäuscht: Die frühere Sängerin Katja Ebstein präsentierte in Bad Bramstedt politisch-kritische Texte.

Bad Bramstedt. "Sag mir, wo die Blumen sind. Wo sind sie geblieben? Sag mir, wo die Blumen sind. Was ist geschehen?" Als Katja Ebstein, 67, im Kurhaus-Theater von Bad Bramstedt dieses berühmte Antikriegslied der legendären Marlene Dietrich (geschrieben wurde das Stück 1955 vom US-amerikanischen Songwriter Pete Seeger) als Zugabe ankündigte, waren ihr und dem Pianisten Stefan Kling stehende Ovationen gewiss.

Katja Ebstein ist kein "Blumenkind" mehr. Aber die Jahre sind, was Können und Ausstrahlung betrifft, scheinbar spurlos an ihr vorbeigezogen. "Wunder gibt es immer wieder". So hieß der Song, mit dem die Berlinerin vor 42 Jahren beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in Amsterdam für Deutschland den dritten Platz belegte. Diesen Hit singt sie heute nicht mehr.

Der Song "Sag mir, wo die Blumen sind" war eine Zugabe, möglicherweise für die Besucher, bei denen wegen ihrer sonst vorwiegend politisch-kritischen Texte keine rechte Begeisterung aufkommen wollte. Einige Besucher, wie etwa Günter Fischer aus Alveslohe, hatte tatsächlich eine Schlagersängerin Katja Ebstein erwartet.

Uwe und Maren Dibbern aus Bad Bramstedt gehörten zu den Zuschauern beim Jubiläumskonzert "5 Jahre Kultur am Sonntag", die begeistert vom Auftritt der 67-Jährigen waren: "Wir wussten vorher, dass Katja vom Schlagersingen längst abgekommen ist. Bei einem Weinfest wurden wir verlacht, als wir erzählten, dass wir zu Katja Ebstein gehen. Für uns war das aber die richtige Veranstaltung. Wir sind Fans von Katja Ebstein, und jedes Mal, wenn wir Ferien auf Amrum machen, gehen wir an ihrem Haus vorbei."

Elke Borchert aus Bad Bramstedt hatte ihrer Schwester Heike Wichmann zum 60. Geburtstag eine Eintrittskarte geschenkt. "Selten hat man ja die Gelegenheit, eine solch berühmte Künstlerin zu erleben", versicherten sie.

+++ Katja Ebstein kommt zum Gratulieren +++

Katja Ebstein, von Stefan Kling am Flügel begleitet, hatte mutige Lieder in ihrem Programm. Sie trug Lieder und Texte unter anderem von Kurt Tucholsky, Hanns Dieter Hüsch und Bertolt Brecht vor. Sie forderte die Menschen auf, "den Hass aus der Welt zu entfernen", sie sang für "die Verrückten, die seitlich umgeknickt still ihre Suppe essen", sie kritisierte "den Fluch des Mittelmaßes" ("Er lastet auf unserer Zeit"), sie stellte fest: "Bist du ein Griesbrei-Fresser, dann verdienst du es nicht besser". Und zum Schluss betonte sie: "Wir pfeifen auf dem letzten Loch, doch wir leben noch".

Was das Publikum im ersten Teil vermisst hatte, trug Katja Ebstein nach der Pause vor. Sie nannte das "was Nettes". Und das klang so: "Es gibt nichts Schöneres als Liebe und Leidenschaft. Alles, was man in Liebe und Leidenschaft macht, tut uns allen gut." Und: "Ich habe ein zärtliches Gefühl für den, der seinen Mund auftut. Das gilt für jeden Menschen, wenn er nur vollkommen wehrlos lieben kann."

Konzertmanagerin Gudrun-Ursula Reimers ist ein großer Fan der Sängerin

Konzertmanagerin Gudrun-Ursula Reimers ("Living music"), die sich über mehr als 250 Zuschauer und über die Unterstützung durch die Stadt Bad Bramstedt freute, ist ein glühender Fan von Katja Ebstein. "Ich bin immer wieder begeistert von ihrer Stimme, sie ist eine ganz besondere Persönlichkeit und hat ein klares Profil", sagte sie. "Sie mischt sich ein, ist sehr sozial eingestellt, hat viel zu sagen und hat nicht umsonst das Bundesverdienstkreuz erhalten."

"Die Kälte in unserer Gesellschaft lässt sich nur überwinden, wenn wir mit wachem Blick über den Tellerrand schauen und uns anstiften lassen zur Hinwendung, sozialer Sensibilität und Wärme", schreibt Katja Ebstein auf der Homepage ihrer 2004 gegründeten Stiftung "für eine enkeltaugliche Zukunft". "Hoffen wir, dass den notwendigen Debatten endlich Taten folgen."