Norderstedt. Was war zuerst da, die naturalistische Tulpe aus der Türkei, rot und orange leuchtend in der morbiden Schönheit des Verblühens? Oder die Tulpe, in Quadrate und Rechtecke geteilt, flankiert von verwandten und konträren Farbflächen? "Das ist mal so, mal so", sagt Erika Sieh nachdenklich. Die Norderstedter Künstlerin öffnet nach vier Jahren wieder ihr Haus am Sanddornweg 15 in Norderstedt und zeigt mit großen und kleinen Bildern, mit Zeichnungen und Skizzen, Tagesnotizen und malerischen Etüden ein breites Spektrum ihrer Kunst.

Meistens malt sie das gegenständliche Bild zuerst. "Das fließt mir aus der Hand, und ich fühle mich sehr wohl, wenn ich die Blüte, so wie ich sie sehe, mit Farbe auf der Leinwand gestalten kann", sagt Erika Sieh.

Zieht sie das Motiv ins Ungegenständliche, wird aus der Tulpe ein Quadrat und aus der Hyazinthe ein Rechteck, so muss sie genau planen. Erika Sieh lässt ihre Motive wachsen bis zur von ihr bevorzugten strengen Form. Die Disziplin, die ihr das Leben aufgab, spiegelt sich in ihren Arbeiten.

"Die Maße müssen stimmen, die geometrischen Formen müssen so zusammen gestellt sein, dass sie eine Spannung erzeugen", sagt sie. Oft stellt sie eine Symmetrie her, stört sie aber gleichzeitig immer wieder durch unregelmäßige Flächen, sonst würde Langeweile aufkommen. Auch die äußeren Bildmaße sind einer selbst auferlegten Norm unterworfen, beispielsweise 50 mal 50 Zentimeter: "Damit gebe ich mir selbst ein Gerüst, und ich sage mir immer wieder, du musst diese zwei Blüten in 50 mal 50 inszenieren."

Für ihre offenen Ateliertage stellt sie alte und neue Werke gegenüber. So wird eine klare Kontinuität ihrer Kunstentwicklung sichtbar, eine verlässliche Entwicklung der Formen und Farben, seien es die Landschaftsskizzen aus aller Welt, seien es ihre Teichbilder, ihr Lieblingsmotiv direkt an der Terrasse. Morgens, mittags, abends - immer sind die zwei Teiche in neues Licht getaucht, je nach Jahreszeit mal mehr, mal weniger üppig bewachsen oder von Schnee bedeckt. Ihre neusten Bilder zeigen die Teichrosen, die sich scheinbar am Bildrand hoch ranken, zeigen eine geheimnisvolle Wasserfläche, beispielsweise in "Teich-Abend", deren Farbe noch nicht trocken ist.

Mehr als hundert Tafelbilder, dazu mehr als 200 Blätter, Etüden gleich, Kompositionen von Reisenotizen sind zu sehen, an den Wänden, in Ständern, zum Blättern und Schauen.

Offenes Atelier bei Erika Sieh, Sanddornweg 15, in Norderstedt am Sonnabend und Sonntag, 15. und 16., und 22. und 23. September, jeweils 11 bis 18 Uhr.