In den vergangenen Tagen hat für zahlreiche Jugendliche die Konfirmandenzeit in evangelischen Kirchengemeinden begonnen. Was wird sie erwarten? Ich höre von etlichen Erwachsenen in Erinnerung an ihren Konfirmandenunterricht die Klage: "Wir haben nur auswendig gelernt." Die Kirche ist bis heute ein Ort, der im Verruf steht, nur auswendig Gelerntes zu dulden. Andere erinnern sich so: "Das Politische stand im Vordergrund, der Glaube spielte kaum eine Rolle." Manche sagen aber auch: "Wir haben die Bibel gelesen, gebetet und diskutiert, meine Meinung war wichtig."

Was ist die Konfirmandenzeit heute? Jugendliche haben ein Recht auf einen Freiraum, in dem nicht das Aussehen, die Leistung und der Erfolg zählen. Wenn ich Heidentum nenne, dann dies: Die Versklavung unter das Gesetz dieser vermeintlich alternativlosen Dreieinigkeit: Wie sehe ich aus? An welchen Leistungsvorgaben habe ich mich messen zu lassen? Wie erfolgreich bin ich?

Die Kirche hat die Aufgabe, gegen dieses Dreigestirn zu protestieren und im Namen Jesu etwas anderes dagegen zu setzen. Gott sieht dich mit dem Blick der Güte an, und aus diesem Anblick gewinnst du dich selbst. Dein Aussehen ist dabei zweitrangig. Wer du bist, und dein Wert entscheidet sich nicht an deiner Leistungsfähigkeit. Wichtig ist, ob du fähig zur Freundschaft bist, ob du bereit bist zu helfen und dich für deine Mitmenschen einzusetzen. Und du kannst darin erfolgreich sein, zu dir selbst zu finden. Deinen Platz und deine Aufgaben zu finden, die du für dich wählen willst. Jugendliche haben ein Recht darauf, sich in Freiheit und selbstbestimmt finden zu können.

Die Konfirmandenzeit, wenn sie gut ist, kann dazu helfen. Sie kann dies leisten, wenn sie zweierlei anbietet: Rituale und Raum zu einem kritischen Bewusstsein. Religion besteht auch aus der Kenntnis der eigenen religiösen Tradition, der Herkunft der heutigen Situation, der Texte, der Feste, der Lieder und Gottesdienste, des diakonischen Handelns. Und wenn dies wertvoll sein soll, dann erfordert es Einübung und auch Mühe, sich damit auseinander zu setzen.

Und ein kritisches Bewusstsein kann dann wachsen, wenn ein junger Mensch sich nicht an Dogmen abarbeiten muss und in erster Linie auswendig lernt, sondern eine eigene Position finden kann. Meine eigene Auffassung zum Gebet finden kann ich, wenn ich zu beten übe, meine Worte und mein Schweigen wähle, meine Zeiten meinen Stil. Meine eigene Auffassung zur Bibel kann ich dann gewinnen, wenn ich die Bibel kennenlerne. Ob die Kirchengemeinde ein Ort zum Bleiben für mich wird, entscheide ich, wenn ich sie kennenlerne und mitgestalte.

Die Konfirmandenzeit ist eine Einladung an Jugendliche. Jesus ist noch nicht letztgültig geliebt, noch nicht zu Ende geglaubt und seine Gedanken und Taten noch nicht so verwirklicht, dass man es unserer Welt sofort ansähe. Jugendliche haben auch die Chance, die Welt besser zu gestalten, als es bisher gelungen ist.

Michael Schirmer ist Pastor in der Kirchengemeinde Vicelin-Schalom