Die 25 Jahre alte Merle Carstens aus Alveslohe wird in den nächsten zehn Monaten in Ghana an einer Schule für geistig behinderte Kinder arbeiten.

Alveslohe. Der Rucksack ist gepackt, die Flugtickets liegen bereit: Morgen beginnt für Merle Carstens das Abenteuer Afrika. Abflug um 7.25 Uhr vom Flughafen Frankfurt am Main mit Turkish Airlines nach Istanbul und weiter nach Accra, der Hauptstadt Ghanas. "Ich kann es kaum noch erwarten, ich freue mich auf eine schöne Zeit", sagt Merle.

Ihr Freund Kristof, der Maschinenbau studiert, begleitet sie bis zum Frankfurter Flughafen. Er hat volles Verständnis für ihre Planungen, und das gilt auch für ihre Eltern. Das Reiseziel heißt Winneba, 60 Kilometer südlich von Accra, eine Universitätsstadt mit etwa 45 000 Einwohnern, direkt an der Atlantikküste gelegen. Doch es ist keine Urlaubsreise, die Merle Carstens antritt.

Die 25-jährige Hobbyreiterin aus der Gemeinde Alveslohe, die in Hamburg und Oldenburg/Niedersachsen mit Bachelor- und Master-Abschluss Sonderpädagogik auf Lehramt studiert hat, wird zehn Monate lang in Winneba an einer Schule für geistig behinderte Kinder arbeiten.

"Ich habe nicht fünf Jahre studiert, um anschließend Hartz IV zu beantragen", sagt sie. "Ich möchte etwas Sinnvolles tun und nicht einen Leerlauf von mehreren Monaten haben, bevor ich, wo auch immer, ins Berufsleben eintrete", begründet Merle Carstens ihr Engagement in Afrika.

Als Gastgeschenk nimmt Merle Carstens ostfriesischen Tee mit

Merle Carstens hat die erforderlichen Impfungen hinter sich gebracht, und sie weiß, dass sie bei einer Gastfamilie wohnen wird, deren soziales Umfeld sie nicht kennt. Aber sie hat in den vergangenen Wochen zu mehreren jungen Frauen Kontakt aufgenommen, die in Ghana freiwillige Dienste geleistet haben. Als Gastgeschenk nimmt sie ostfriesischen Tee mit: "In Afrika trinkt die ganze Familie Tee", hat sie herausgefunden.

Merle Carstens hat sich intensiv vorbereitet. Vor einigen Tagen wurde ihr beispielsweise eine CD mit Metacomsymbolen zur Verfügung gestellt. Damit kann sie an der Schule in Winneba im Bereich Unterstützte Kommunikation arbeiten.

Sorgen bereitet Merle nur die Nachricht, dass an den Schulen in Ghana die Prügelstrafe weiterhin gang und gäbe ist. "Ich habe darauf keinen Einfluss, weil ich nicht unterrichte, sondern beobachtend und beratend tätig bin", bedauert sie.

In Ghana soll die 25-Jährige kleinere Projekte aufbauen

Sie wird in Ghana am Ref. Fr. John Special Unit im sonderpädagogischen Bereich arbeiten. Dabei werden die Unterrichtssassistenz sowie der Aufbau und die Anleitung eigener kleiner Projekte zu ihrem Aufgabenbereich gehören.

"Ein weiterer Schwerpunkt ist der interkulturelle Austausch zwischen mir und den ghanaischen Lehrkräften und Mitarbeitern der Schule", betont Merle an. "Die verschiedenen Sichtweisen auf Menschen mit Behinderungen und auch auf die Lehrtätigkeit werden für mich sicherlich herausfordernde Momente bringen, in denen ich gerne meine eigene Sichtweise mit einbringen möchte."

Hilfreich war ihr die Internetseite und der Kontakt zur gemeinnützigen Organisation BEZEV (Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit), die sich für eine gleichberechtigte Beteiligung von Menschen mit Behinderung an Entwicklungsprozessen in aller Welt einsetzt.

Nach ihrer Rückkehr hofft sie auf eine Beamtenstelle im Schuldienst

75 Prozent der Kosten von Merle übernimmt das Bundesministerium für Entwicklung und Wirtschaftliche Zusammenarbeit, das restliche Viertel bezahlt BEZEV. Um den Verein in seiner Arbeit und bei der Entsendung von Freiwilligen zu unterstützen, baut Merle einen Förderkreis auf, der BEZEV mit einmaligen oder monatlichen Spenden direkt unterstützt.

Nach ihrer Rückkehr hofft sie auf eine Beamtenstelle im Schuldienst. Am liebsten in der Jan-Korczak-Schule in Kaltenkirchen, einem Förderzentrum mit Schwerpunkt geistige Entwicklung. An dieser Schule hat sie vor sechs Jahren ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert und ihre Bestimmung gefunden.

"Ich werde mein Leben lang für schwerstbehinderte Kinder da sein", verspricht Merle Carstens. Ihre Botschaft lautet: "Bitte respektiert alle Menschen so wie sie sind - ob behindert oder nicht."

Merle Carstens wird über ihren Aufenthalt in Ghana ein Tagebuch schreiben: merleinghana@gmail.com .