Immer mehr alte Gebäude verschwinden aus dem Stadtbild. Denkmalpfleger sprechen von einem “Denkmalschwund wie zu Kriegszeiten.“

Norderstedt. Nicht gerade reich an Denkmälern ist Norderstedt. Das prominenteste Kulturdenkmal ist die Justizvollzugsanstalt Glasmoor. Und die liegt nur auf Norderstedter Gemarkung, gehört aber der Hansestadt Hamburg. Ansonsten hat Norderstedt nur ein paar Bauernhöfe, Katen und Kirchen zu bieten .

Umso schwerer fällt es also ins Gewicht, wenn historische Gebäude zum Abriss freigegeben werden. Wohl noch in dieser Woche werden die Bagger an der Ochsenzoller Straße gegenüber der Einmündung der Berliner Allee anrücken. Das grün getünchte, ehemalige Wohn- und Geschäftshaus der Bauunternehmer-Familie Plambeck, erbaut 1910 und seither an dieser Stelle prägend für das Garstedter Ortsbild, wird verschwinden. Die Besitzer, das Unternehmen Plambeck, möchte auf dem Grundstück ein vierstöckiges Wohn- und Geschäftsgebäude bauen und auf dem Gelände dahinter fünf Stadtvillen mit Eineinhalb- bis Dreieinhalb-Zimmer-Wohnungen.

Viele historische Gebäude werden ohne Begutachtung einfach abgerissen

Das Gebäude ist nicht denkmalgeschützt, die Abrissgenehmigung dafür erteilt. Ob es ein Verlust für die Kulturgeschichte des Landes Schleswig-Holstein ist, könnte nur das Landesamt für Denkmalpflege sagen. Doch die zuständige Dame in der Kreisverwaltung in Segeberg ist auf unbestimmte Zeit erkrankt. Und in der Zentrale des Amtes in Kiel sagt die Oberkonservatorin Dr. Astrid Hansen: "Historische Häuser wie das an der Ochsenzoller Straße werden in Schleswig-Holstein reihenweise abgerissen, ohne jegliche Begutachtung durch uns. Dafür fehlt uns schlicht das Personal." Resultat: "Der Denkmalschwund im Land ist derzeit vergleichbar mit dem in Kriegszeiten", sagt Hansen.

Schleswig-Holstein sei ein "Denkmal unfreundliches Land". Das Denkmalamt sei personell so schlecht ausgestattet wie kaum ein anderes in Deutschland. Neben Nordrhein-Westfalen sei es das einzige Bundesland, das noch mit einem sehr schwerfälligen Denkmalschutzgesetz arbeite. Es ist konstitutiv, nicht deklaratorisch, wie in den übrigen Bundesländern. Bedeutet: Die Denkmalschützer können denkmalwürdige Häuser zunächst unter Schutz stellen. Nur wenn der Eigentümer Veränderungen oder einen Abriss wünscht, muss er sich mit dem Amt abstimmen. Hansen: "Bei uns gibt es ein Denkmalbuch, damit gleichen die Bauämter in den Kommunen die Umbau- oder Abrissanträge ab. Wenn das Haus nicht im Buch steht, wird stattgegeben." Damit es aber unter Schutz gestellt werden kann, müsse ein zäher Verwaltungsakt in Gang gebracht werden, der bis zu acht Wochen dauern könne. "Es gibt die Möglichkeit des Sofortvollzugs. Doch dafür müssen wir zunächst einmal Kenntnis von einem Abriss haben", sagt Astrid Hansen.

Bei Plambeck wurde der Erhalt des Hauses diskutiert - und abgelehnt

Für den Norderstedter SPD-Stadtvertreter Thomas Jäger ist der Verlust eines weiteren Stückes der sichtbaren Geschichte der Stadt bedauerlich. "Wir hätten uns einen vorsichtigeren Umgang mit dem Gründerzeit-Haus gewünscht. Für viele Menschen im Stadtteil verschwindet damit ein greifbarer Teil ihrer Erinnerungen an das alte Garstedt, den Ursprung unserer Stadt", sagt Jäger. Vermehrt würden in der Stadt historische Altbauten vernachlässigt oder gleich abgerissen. Der Neubau ist immer günstiger als die Sanierung - das ist das Argument der Eigentümer und Investoren. Doch was wirtschaftlich schlüssig sein mag, lässt den Denkmalschutzgedanken völlig in den Hintergrund treten.

Bei Plambeck sind sich die Verantwortlichen über die historische Bedeutung des Hauses an der Ochsenzoller Straße bewusst. Axel Trennt, Geschäftsführer des Wohnungsbauunternehmens: "Wir hatten intern einige Diskussionen über die Erhaltung des Hauses." Die ehemalige Zimmerei und Tischlerei von Heinrich Sommer wurde 1927 von den Plambecks gepachtet. Die Schwester von Hinrich Plambeck wohnte in der Villa. Zuletzt stand das Haus leer, nachdem ein Dentallabor als letzter Mieter ausgezogen war. "Doch so gut es von außen aussieht: Die Bausubstanz ist schlecht, es gibt Durchfeuchtungsschäden. Auch wenn es nie schön ist, ein altes Haus abzureißen - in diesem Fall geht es nicht anders.", sagt Trennt. Ein Bauunternehmen habe bereits den Auftrag zum Abriss erhalten.

Es scheint also keine Chance mehr für das Haus zu geben. "Wir sind auf den guten Willen und die schon oft bewiesene Weitsicht der Eigentümer-Familie angewiesen", sagt die SPD-Vorsitzende Katrin Fedrowitz. Ein gutes Beispiel sei die Rettung des Gebäudes von Ellerbrocks Gasthof im jetzigen Frederikspark. Dort seien die Geschichte eines Hauses und das wirtschaftliche Interesse des Eigentümers berücksichtigt worden. "Das Haus wurde bis auf die Fassade abgerissen und dann völlig neu aufgebaut. Der Charakter des Gebäudes konnte gerettet werden. Eine ähnliche Lösung wünschen wir uns auch für das Gründerzeit-Haus an der Ochsenzoller Straße", sagt Fedrowitz.

Plambeck suche solche Lösungen, wann immer sie sich anböten - auch wenn sie sehr teuer sind, sagt Axel Trennt. Doch in die Planung an der Ochsenzoller Straße lasse sich das Haus beim besten Willen nicht integrieren.