Mindestens 100 Fachkräfte werden in Norderstedt gebraucht. Kitas werben in Fachschulen wie in Pinneberg und bezahlen Ausbildungen.

Norderstedt. Erzieherinnen bilden und erziehen Kinder, haben alle Hände voll zu tun, um den wachsenden Anforderungen an die Kitas gerecht zu werden, und müssen nun zusätzlich noch offensiv für die eigene Einrichtung werben. "Nur wenn wir kreativ sind, werden wir noch das Fachpersonal finden, das wir brauchen", sagt Solveig Dogunke. Die Leiterin der Kita Lila Löwe vom Verein der Kinder wegen beschreibt einen Mangel, der sich bundesweit abzeichnet: Es fehlen Erzieher und Erzieherinnen. Der Mangel betrifft Städte und Gemeinden genauso wie private Träger. Sie alle stehen in Konkurrenz, um auf einem leer gefegten Markt die Fachkräfte zu bekommen, die nötig sind, um den Rechtsanspruch der Eltern auf einen Krippenplatz zu erfüllen.

Laut einer aktuellen Bertelsmann-Studie fehlen im nächsten Jahr schon 15 000 Erzieherinnen, in Schleswig-Holstein 350, eine Zahl die Norderstedts Kita-Dezernentin Anette Reinders für zu gering hält. Allein die Stadt muss in den nächsten drei Jahren mehr als 80 Fachkräfte einstellen und 300 neue Plätze schaffen.

Verein der Kinder wegen braucht 14 neue Erzieher und Erzieherinnen

Der Verein der Kinder wegen, nach der Kirche größer privater Kita-Träger in Norderstedt, braucht 14 neue Erzieher und Erzieherinnen für das neue Haus im Frederikspark. Auch das kirchliche Kita-Werk ist auf der Suche: "Wir erweitern die Vicelin-Kita um drei Krippengruppen und brauchen dafür sieben bis acht Fachkräfte", sagt Uwe Büth, im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein zuständig für die Kitas.

+++ Das kreative Werben um Fachpersonal +++

Auch er hat den Wandel auf dem Arbeitsmarkt registriert: Früher seien auf eine Anzeige 50 bis 60 Bewerbungen eingegangen, jetzt reiche es nicht mehr, mit Annoncen zu suchen. Wie auch Solveig Dogunke gehen Büth und sein Team direkt an die Fachschulen, wo der Nachwuchs ausgebildet wird. Die gibt es in Hamburg, Pinneberg und Neumünster. "Leider nicht in Norderstedt, was uns die Suche erschwert", sagt Dezernentin Reinders. Denn die künftigen Erzieherinnen absolvierten meist auch die Praktika an den Ausbildungsorten und blieben dort, wenn ihnen die Einrichtungen zusagen.

Reinders hatte beim Bildungsministerium den Wunsch der Stadt vorgetragen, in Norderstedt eine Fachschule einzurichten. Der Appell kam zu spät, da hatten sich die Segeberger die Zusage schon geholt. Doch nun will Anette Reinders mit Ina Bogalski, Leiterin des Berufsbildungszentrums an der Moorbekstraße, die Chancen abklopfen, dort Aus- und Fortbildung zu etablieren.

Ziel sei, auch ältere Menschen für die Betreuung der Kinder zu gewinnen. Es gebe Väter und Mütter, die die Schüler nachmittags an den Offenen Ganztagsschulen betreuen, und das "sehr engagiert und motiviert". Denkbar sei, dass Interessierte morgens lernen, was sie für eine qualifizierte Arbeit in den Kitas brauchen, und nachmittags ihren Job in den Ganztagsschulen erledigen. In Baden-Württemberg gebe es schon eine berufsbegleitende Qualifizierung, ein Modell, was Schleswig-Holstein übernehmen könne.

Ein weiterer Fundus, aus dem die Kommunen schöpfen könnten, seien Migranten. "Sie sind gut ausgebildet, nur hier werden die Abschlüsse nicht anerkannt", sagt die Dezernentin. Auch da gebe es Überlegungen, wie die strengen Vorgaben so modifiziert werden können, dass diese Bevölkerungsgruppe einbezogen werden kann. Schon jetzt würden Lücken geschlossen, indem Verträge entfristet werden. Wenn die Beurteilung entsprechend ausfällt, sei das ein Weg, Stellen attraktiver zu machen, denn: Es sei extrem schwierig, Bewerber für befristete Jobs zu finden, und fast aussichtslos, wenn es sich um die Nachmittagsbetreuung in den Horten handelt.

Auch Tagesmütter können für die Arbeit in den Kitas qualifiziert werden

Schließlich sei es auch denkbar, Tagesmütter so weiterzubilden, dass sie in Kitas mitarbeiten können. Sie hätten ohnehin schon pädagogische Vorkenntnisse, auf denen man aufbauen könne.

Uwe Büth und Solveig Dogunke übernehmen die Kosten für die Weiterbildung. Der Verein der Kinder wegen investiert rund 3000 Euro für die Fortbildung einer Erzieherin zur Fachkraft für Inklusion, die sich später um die Integration behinderter Kinder kümmert. "Wir haben sie direkt an einer Fachschule angesprochen. Sie wohnt um die Ecke und hat sofort zugesagt", sagt Solveig Dogunke. Und das kirchliche Kita-Werk trägt die Kosten für die dreijährige Ausbildung einer sozialpädagogischen Assistentin zur Erzieherin.