Erstmals verlangen einige Finanzämter Umsatzsteuer auf Spenden von den Bäckereien. Die Tafeln im Kreis Norderstedt bangen um die Brotspenden.

Norderstedt. Etwa 120 Menschen drängeln sich in dem kleinen grauen Gebäude der Norderstedter Tafel am Schützenwall. Die Luft ist stickig, eilig wird ein wenig Platz für zwei Mütter mit Kinderwagen geschaffen. Auf den ersten Blick eint die Senioren, jungen Männer und Frauen nur eines: Sie sind im täglichen Leben auf die kostenlosen Gaben der Tafel angewiesen. Lebensmittel, insbesondere Brot und Brötchen, sind besonders beliebt. Bäckereien aus der Umgebung spenden die Backwaren, wenn sie nicht mehr frisch genug sind, um noch verkauft werden zu können. Schon jetzt schneiden die Tafel-Mitarbeiter die Brotscheiben schon mal dünner, wenn es knapp wird. Zukünftig aber könnten solche Engpässe noch häufiger vorkommen.

Bisher zahlt keine der Bäckereien Umsatzsteuer auf die Brot-Spenden, die die Tafeln erhalten. Warum auch, schließlich gibt es nur eine Alternative zum Spenden: wegwerfen. Und doch gibt es schon seit Jahren eine in Deutschland umgesetzte EU-Richtlinie, die genau das regelt. Sieben Prozent beträgt die Umsatzsteuer, mit der Sachspenden an gemeinnützige Organisationen bedacht sind.

Da die Backwaren aber verschenkt werden, kann der Bäcker die Umsatzsteuer, die er vorher auf Produkte wie Mehl oder Milch gezahlt hat, nicht wie beim Verkauf üblich von seiner Umsatzsteuerschuld abziehen. Nachdem mehrere Bäcker nun kräftig nachzahlen mussten, ist die Branche aufgeschreckt. Auch im Kreis Segeberg stellen Bäckereien zunehmend die Spenden ein. Wegwerfen ist schlicht billiger, dann fallen nämlich kurioserweise keine Steuern an, da keine Leistung erbracht wird. Umso peinlicher ist die unsinnige Gesetzesauslegung für den Bund, weil das deutsche Verbraucherministerium gerade versucht, die Bürger davon abzuhalten, Lebensmittel wegzuwerfen. "Zu gut für die Tonne - Strategien gegen die Lebensmittelverschwendung" heißt die Kampagne, die selbst im eigenen Haus wohl nicht ernst genommen wird.

Für Udo Steinmüller, zweiter Vorsitzender der Norderstedter Tafel, ist die unübersichtliche Gemengelage eine Katastrophe. "Wir waren alle konsterniert und haben uns ungläubig angeguckt, als wir davon erfahren haben", sagt der Norderstedter. Insgesamt 1500 Menschen sind auf die Leistungen der Norderstedter Tafel angewiesen. Steinmüller hofft jetzt auf den Bundesverband. Nachdem dieser die einzelnen Tafeln bereits schriftlich über den drohenden Ärger informiert hat, setzt der Verband sich gegenüber der Politik nun für eine Änderung des Gesetzes ein.

Fest steht, dass im Kreis Segeberg die Umsatzsteuer in solchen Fällen bisher kein Thema war. Zwar bestätigt das Finanzministerium Schleswig-Holstein, dass das Spenden von Backwaren nach der geltenden Gesetzeslage als Schenkung gilt und den Bäckereien ein Nachteil entsteht. Allerdings werden in solchen Fällen offenbar bisher beide Augen zugedrückt und der Wert der Spenden auf null Euro beziffert - das jedoch ist lediglich dem guten Willen der Beamten zu verdanken.

Auch bei der Kaltenkirchener Tafel wurden die Mitarbeiter von der Entwicklung überrascht. Es wäre fatal, wenn wir weniger Backwaren bekommen würden", sagt die Vorsitzende Dagmar Beese. Woche für Woche bekommt sie die Sorgen ihrer Kunden hautnah mit: "Das sind alles gute Lebensmittel, die wir hier verteilen und es geht darum, dass die nicht im Müll landen", sagt die Kaltenkirchenerin wütend.

Ihr Zulieferer, die Bäckerei Wagner, wird seine Spenden ab sofort einstellen. Wegschmeißen sei einfach billiger. "Das Gesetz so zu interpretieren, ist völliger Schwachsinn. Erst wird beanstandet, dass wir zu viel wegschmeißen und dann dürfen wir Brot und Brötchen nicht an Bedürftige weitergeben.", sagt Jürgen Wagner.

Ein weiterer Bäcker, der nicht genannt werden möchte, wird ebenfalls die Backwaren fortan in den Müll werfen. Er vermutet, dass weitere Kollegen seinem Beispiel folgen und die Tafeln somit in Bedrängnis bringen werden. Grund für den Entschluss der Bäcker ist die rechtliche Unsicherheit.

Zwar hat das Bundesfinanzministerium das Problem nach eigener Aussage erkannt und angekündigt, zeitnah eine steuerneutrale Lösung finden zu wollen, aber: "Bei uns ist noch kein interner Erlass des Bundesfinanzministeriums eingegangen" sagt der Sprecher des schleswig-holsteinischen Finanzministeriums, Axel Hilker.

Bei einer Klarstellung seitens der Politik würden wohl auch die Bäcker wieder spenden. Erst einmal wird das Brot aber wohl knapp werden.