Eine Glosse von Verena Grothues

Egal ob Deutsche Bahn, HVV oder AKN: Bahn fahren ist ein Erlebnis. Wenn sich die Türen quietschend öffnen, weiß der gemeine Bahnfahrer nie, was ihn drinnen erwartet. Jugendliche mit ohrenbetäubender Musik aus dem Kopfhörer oder eine alte Dame mit großem Erzähldrang.

Bahn fahren ist eigentlich nur noch zu toppen, wenn man eine Mitfahrgelegenheit nutzt. Als Vielfahrerin kann ich davon ein Lied singen. Per Internet verabrede ich mich häufig mit anderen Leidensgenossen, um gemeinsam ein Niedersachsenticket zu erstehen und die lange Strecke wenigstens kostengünstig zurückzulegen. Da passiert es dann auch schon mal, dass nach dem üblichen "Hallo, wie geht's? Wo kommst du her?" direkt losgeschossen wird - wie bei meiner letzten Fahrt: "Ich habe total Liebeskummer, mein Freund hat gerade mit mir Schluss gemacht." Nach fünf Minuten, wir schienen mittlerweile weit über den Status zufällig zusammen Reisender hinausgestiegen zu sein, hatte ich dann sogar ein Handy vor der Nase. "Schau mal die SMS, so etwas macht man doch nicht, oder?"

Auch schön ist die Kategorie Selbstdarsteller: Ohne dass ich danach gefragt hätte, kriege ich direkt aufs Brot geschmiert: "Ich arbeite übrigens bei einem großen Medienkonzern und fliege bald auf Dienstreise nach Italien!" Obwohl ich in keiner Weise zu erkennen gebe, dass mich das Thema brennend interessiert, werde ich weiter zugetextet: "Ich mache auch Ausdruckstanz. Warte, ich zeige dir ein Video auf meinem Handy."

Wenn Bahn fahren Bundesliga ist, ist die Variante mit der Mitfahrgelegenheit Königsklasse. Aber die meisten Mitfahrer sind zum Glück nett, verkürzen einem sogar die Fahrzeit. Die anderen wird man glücklicherweise am Bahnhof los.

Nur der Herr Ausdruckstänzer wollte es genau wissen: "Ach, du wohnst auch in Norderstedt? Ich auch! Dann können wir ja noch ein Stück gemeinsam fahren." Olé, olé.