Norderstedt/Eutin. Der Anruf geht an einem Nachmittag mitten in der Woche bei der Polizeidienststelle ein: Eine ältere Dame sei nur mit einem Nachthemd bekleidet an einer Bushaltestelle entdeckt worden. Die Dame sei anscheinend verwirrt. Sie kennt ihren Namen nicht und weiß nicht, woher sie kommt. Aber dass sie "nach Hause" möchte, wiederholt sie immer wieder. "Solche und ähnliche Situationen sind für die Kolleginnen und Kollegen im polizeilichen Einsatzdienst nicht ungewöhnlich", sagt Jörn Schade von der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung in Schleswig-Holstein.

"Wir erleben es immer häufiger, dass wir mit der Krankheit Demenz und ihren Folgen konfrontiert sind." Aufgrund der demografischen Entwicklung wachse der Bedarf, mehr über Demenz zu erfahren. In diesem Jahr wurde erstmals das Thema Demenz verpflichtend in einen Fortbildungslehrgang aufgenommen, an dem ausgebildete Polizisten regelmäßig teilnehmen. Die Schulung übernahm das Kompetenzzentrum Demenz Schleswig-Holstein mit Sitz in Norderstedt, das bereits im ersten Halbjahr 2012 mehr als 500 Polizisten unterrichtet hat.

Anne Brandt vom Kompetenzzentrum hat die Schulung mit dem Titel "Demenz geht uns alle an" zusammengestellt. "Es liegt uns am Herzen, dass unsere Kommunen in Schleswig-Holstein demenzfreundlich sind. Aus diesem Grund schulen wir ganz verschiedene Berufsgruppen, die häufig mit demenziell Erkrankten zu tun haben. Polizisten gehören da selbstverständlich dazu", sagt sie.

So standen in den 90-minütigen Fortbildungen für jeweils bis zu 20 Schutzpolizisten die Einführung in das Krankheitsbild sowie die Kommunikation und der Umgang mit Menschen mit Demenz auf dem Stundenplan. "Nach den theoretischen Grundlagen haben wir gemeinsam typische Begegnungssituationen im Alltag besprochen", erläutert Anne Brandt.

Wenn in einer Dienststelle eine Meldung wegen Ruhestörung eingeht, weil nach 22 Uhr Möbel gerückt werden, der Fernseher extrem laut eingestellt ist oder die Nachbarn heftig beschimpft werden, dann kann Demenz im Spiel sein. In anderen Fällen melden die Betroffenen selbst immer wieder einen Diebstahl. Tatsächlich können sie sich nicht daran erinnern, an welchem Ort sie zum Beispiel die vermisste Kette oder das Sparbuch aufbewahren.

Brandt: "Häufig ist es für die Polizisten schwer zu erkennen, was hinter der Situation steckt: In welcher Realität befindet sich der Angetroffene? Wie finde ich heraus, wer er ist und wo er hingehört? Wie bekomme ich sein Vertrauen, sodass er sich helfen und beruhigen lässt? Was ist an seinen Schilderungen wahr? Gibt es Bezugspersonen, die mir mehr Informationen liefern können?" Wichtig sei, die Betroffenen ernst zu nehmen, sie nicht auf Defizite hinzuweisen und sie mit Respekt und Wertschätzung zu behandeln.