Der 47-jährige Norderstedter moderiert regelmäßig den Sportblock bei den Tagesthemen der ARD und ist Leiter des NDR-Sportclubs.

Norderstedt. Die Tür zum Studio schließt sich leise und fest. Nebenan leuchten nur Monitore, kleine Tischlampen und die verschiedenen Statusanzeigen. Die Aufnahmeleitung mahnt noch einmal das Gebot der Ruhe an. Die Stimmung ist angespannt, aber nicht nervös. Jeder der Anwesenden ist in seinem Metier ein Profi - ob vor der Kamera oder dahinter. Ihre Arbeit muss sekundengenau passen. Bei der ersten Sendung, bei der zehnten, hundertsten oder der zehntausendsten.

Wie oft Andreas Käckell, 47, bereits im Fernsehen zu war, weiß der Norderstedter selbst nicht mehr. Es ist einiges zusammengekommen in über 20 Jahren. In Deutschland kennen ihn Millionen von Menschen, denn der TV-Journalist ist regelmäßig als Moderator bei den "Tagesthemen" zu sehen. Routiniert, sorgfältig, wortgewandt führt er dann durch den Sportblock der Nachrichtensendung. Live aus Hamburg-Lokstedt in alle Wohnzimmer.

Es ist nicht vermessen, das Gelände des NDR am Hugh-Greene-Weg mit seinen insgesamt 22 Gebäuden als eigenes Quartier zu bezeichnen. Und genauso wie das Fernsehen nonstop sendet, muss auch 24 Stunden täglich produziert, kontrolliert und konzipiert werden. Andreas Käckell ist an diesem Sonnabend ab kurz vor 14 Uhr vor Ort. Dort, in Haus 18, hat er im dritten Stock sein eigenes Büro in der Sportredaktion des Norddeutschen Rundfunks. Dieses zieren unzählige Erinnerungsfotos - mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, den HSV-Legenden Felix Magath, Kevin Keegan und Willi Reimann oder dem Team der Paralympics-Sendungen. Käckell selbst ist sogar auf einigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit einem Schnauzbart vertreten.

Diesmal bleibt Käckell jedoch im Erdgeschoss bei "ARD-aktuell". Sein Haupteinsatz werden die "Tagesthemen" sein, deren Sportthemen er im Wechsel mit Okka Gundel (Westdeutscher Rundfunk) und Katja Wunderlich (Bayerischer Rundfunk) moderiert. "Wir im Sport sind relativ autark", sagt er. "Man verlässt sich darauf, dass wir die wichtigsten Themen dabei haben."

Es ist das letzte Wochenende der Fußball-Europameisterschaft, doch die Lust auf das Großereignis ist nach der Pleite der deutschen Elf am Vorabend gegen Italien ein wenig verflogen. Die Prioritäten haben sich somit verschoben - auch redaktionell. Wichtiger sind die Europameisterschaften der Leichtathleten und die Auftritte der deutschen Tennisprofis in Wimbledon.

Andreas Käckell, geboren in Kassel und dort früher als Zweitliga-Volleyballspieler aktiv, entstammt einer anderen Generation Medienschaffender. Als er vor 23 Jahren Redakteur wurde, sprach noch niemand vom Internet, das heute ein prägendes Medium ist. Und doch war Käckell schon damals "heiß darauf, in die elektronischen Medien zu gehen". Zwar studierte er zuvor Englisch und Sport auf Lehramt an der Universität in Göttingen, in einem Klassenraum hat er allerdings nie unterrichtet. Dafür volontierte Käckell bei der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung. "Es war mir wichtig, alles von der Pike auf zu lernen", sagt er.

Andreas Käckell bereiste als Windsurfing-Experte die Welt

Seine Reporter-Tätigkeit machte ihn zum Weltreisenden. "Früher war ich viel unterwegs. Für die Sportschau war ich der Spezialist im Windsurfing", erzählt er. In dieser Mission besuchte Käckell die schönsten Strände der Welt. "Vier Jahre hintereinander war ich zum Weltcupfinale auf Maui - ein Traum!" Aber Urlaub war dies keineswegs. "Das hat eine Menge Geld gekostet, also musste ich auch Output liefern. Aber wenn eine solche Anfrage kommt, sagt man nicht nein."

Andreas Käckell hat viele Erinnerungen an Großereignisse. So arbeitete er als Berichterstatter bei den Olympischen Spielen in Barcelona (1992), Atlanta (1996) und Sydney (2000). "Aber am meisten Spaß gebracht haben mir die Paralympics 2008 in Peking." Dort war Käckell täglich Moderator im ARD-Studio. "Bei mir waren tolle Menschen, die atemberaubende sportliche Darbietungen gezeigt haben. Und sie hatten tolle Geschichten zu erzählen. Sie haben größere Widerstände zu überwinden als manch andere Athleten und sprechen gerne über ihre Schicksale."

Und doch ist der Familienvater mittlerweile froh, wenn Kollegen die zeitintensiven Veranstaltungen übernehmen. Die Kommentatoren bei der EM in Polen und der Ukraine waren beispielsweise viereinhalb Wochen im Ausland - für den America's Cup der Segler musste Käckell selbst schon einmal acht Wochen in Spanien verbringen. Das Büro in Lokstedt ist vergleichsweise angenehm ruhig. "Ich arbeite dort viel hinter den Kulissen", sagt Käckell. So ist er Leiter des Sportclubs, also zuständig für die Sonntagssendung mit Studiogästen sowie für den jeweiligen Bundesligablock. Seine dortige Moderatorentätigkeit hat er jedoch beendet - heute teilen sich Gerhard Delling, Alexander Bommes und Martin Roschitz den Job vor der Kamera.

Kurzfristig muss das Konzept der Live-Sendung verändert werden

19.17 Uhr. Käckell versucht sich abzuschotten, konzentriert sich auf seine Texte. Jedes Wort muss sitzen, prägnant und klar sein. Dass alles auf die Sekunde genau in die Sendung passen muss, versteht sich von selbst. Also ist der Moderator fokussiert, spricht leise vor sich hin. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihm Millionen Zuschauer zusehen, wird Feinschliff angelegt.

Dann ein Anruf - die Träne, die einem weiblichen Deutschland-Fan über die Wange kullerte, müsste noch in den Sportteil integriert werden. Jener Zwischenfall, als die Bildregie des europäischen Fußballverbandes Uefa eine vor Anpfiff aufgezeichnete Szene nach dem zweiten Gegentor der deutschen Nationalelf gegen Italien als "live" verkaufte.

Also wird umdisponiert: Was ist die Aussage der Meldung, wie kann sie bildlich und inhaltlich illustriert und für die Zuschauer eingeordnet werden? Drei Stunden, bevor es on air geht, ist ein neuer Ablauf gefordert. "Wir dürfen die Leute nicht überfrachten", sagt Andreas Käckell in Bezug auf die nötige Balance zwischen journalistischem Anspruch und plausibler Aufmachung. "Bild und Ton müssen gleichzeitig verarbeitetet werden."

Ingo Zamperoni ist an diesem Tag der Anchorman. Um 20.44 Uhr schaut Andreas Käckell bei seinem Kollegen im Büro vorbei. Zamperoni ist leger gekleidet; den Anzug trägt er erst vor der Kamera. Die beiden Kollegen sprechen die inhaltliche Gliederung der Sendung ab - also welche Themen im Sport behandelt werden und wie Zamperoni überleiten könnte.

Wenn der Wetterbericht läuft, hat Andreas Käckell Feierabend

21.10 Uhr. Käckell und Bichmann sitzen mittlerweile nur noch im Licht ihrer Tischlampen. Es herrscht eine Art geschäftige Ruhe. Dass es außerhalb des Gebäudes längst dunkel ist, haben sie nicht bewusst wahrgenommen. Aus der "Träne" ist derweil ein Dokument Sport-Zeitgeschichte geworden. Die nur knapp drei Sekunden lange Szene wird später in Super-Zeitlupe auf dem Plasma-TV im Studio zu sehen sein.

22.42 Uhr. "Ruhe" blinkt es in den Gängen rund um das ARD-Studio. Zamperoni, Käckell und Nachrichtensprecherin Judith Rakers sind frisch geschminkt und warten auf ihren Einsatz. In den Computern ist die exakte Reihenfolge der einzelnen Beiträge, Meldungen und Anmoderationen festgelegt. Die Vorgabe ist, dass die "Tagesthemen" 18 Minuten dauern sollen.

Um 22.51 Uhr und 40 Sekunden geht Ingo Zamperoni auf Sendung. "Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den Tagesthemen." Andreas Käckell ist um 23.03 Uhr und 10 Sekunden an der Reihe. Leichtathletik, Wimbledon, Tour de France, Tourenwagen, Fußball. Auch die "Träne" wurde elegant integriert. Die stundenlange Vorbereitung resultiert in wenigen Minuten prägnantem Inhalt.

Letztlich überziehen die "Tagesthemen" um eine winzige Sekunde. Das ist noch im Kulanzrahmen. "Super geklappt", das ist der spontane Tenor im Aufnahmeraum. Während im Fernsehen der Wetterbericht läuft, ist der Arbeitstag für Andreas Käckell beendet. Die Hektik fällt binnen weniger Momente ab. Morgen werden die Nachrichten von heute vielleicht vergessen sein. Dafür werden andere Neuigkeiten über den Ticker gehen. Und wenn dann abends wieder der charakteristische Gong im Ersten erklingt, ist die Tradition der "Tagesthemen" wieder um eine Folge reicher.