In unserer Firmenserie stellen wir heute die Norderstedter Hilfsorganisation KBA vor. 270 Mitarbeiter sind für Hilfe und Rettung im Einsatz.

Norderstedt. Wenn Michael Vollmer seine Branche beschreiben soll, spricht er von einem harten Geschäft. Das gilt zum einen für die Männer und Frauen, die täglich für den Norderstedter Verein KBA unterwegs sind, Kranken und Verletzten helfen und sie ins Krankenhaus fahren. Patrick Jathe, Benedict Fischer und Marc Kunstmann bilden eine Rettungswagenbesatzung und kommen in ihren Nachschichten nie zum Schlafen. Fünf bis sechs Einsätze zwischen 19 und 7 Uhr sind für die Männer, die von der Wache an der Ohechaussee ausrückt, die Regel. Jeder dauert im Schnitt eine Stunde. Oft geht es um Leben oder Tod, immer um Krankheit und Leid - ein hartes Geschäft.

Doch auch in der Etage darüber, wo die Verwaltung und die Geschäftsführung arbeiten, sind die Anforderungen hoch. Auf den ersten Blick sprich zwar alles dafür, dass medizinische Dienstleistungen auch in der Zukunft ein gutes Geschäft sind. Die Menschen werden älter, der Bedarf wächst. "Der Gesundheitsmarkt wächst", sagt auch KBA-Chef Vollmer.

"Wenn man einen Qualitätsanspruch hat, wird es eng"

Doch tatsächlich agieren viele Unternehmen der Branche Unternehmen gar nicht in einem Markt mit seinen klassischen Spielregeln. Schon jetzt ist das Geld im Gesundheitswesen knapp und wird absehbar knapper. Außerdem gibt es beispielsweise im Rettungsdienst nur einen Kunden, der zahlt: die Krankenkassen. Und jede Tour wird mit einer starren Gebühr vergütet. "Wenn man dann noch einen Qualitätsanspruch hat, wird es eng", sagt Vollmer.

In diesem Markt, der keiner ist, muss der 50-Jährige versuchen, den KBA fit für die Zukunft zu halten. Er setzt auf Spezialisierung und Qualität. Bislang ist ihm das mit Erfolg gelungen. Der unternehmensähnliche, aber gemeinnützige Verein KBA wächst. 280 Menschen arbeiten dort, 55 Fahrzeuge gehören zum Fuhrpark. Längst hat sich das Hauptgeschäft nach Hamburg verlagert, der Sitz des KBA und die Wache für den Rettungsdienst sind in Norderstedt geblieben.

Seinen ersten RTW finanzierte Vollmer mit Vaters Kredit

Michael Vollmer gründete den Verein im Alter von 23 Jahren. Damals wollte er es anders und besser machen als die Hilfsorganisationen, die er kennengelernt hatte. Er kaufte mit einem Kredit von seinem Vater seinen ersten gebrauchten Rettungswagen (RTW). Um das Projekt zu finanzieren, schuftete der Student nachts in Krankenhäusern sogar noch, als er schon die ersten Angestellten beschäftigte. Bis heute kommt sein Verein ohne öffentliche Zuschüsse aus, Vollmer ist Erster Vorsitzender und Geschäftsführer zugleich.

Heute machen die Fahrten der Norderstedter Notfallretter mit den Rettungswagen und dem Notarztfahrzeug nur noch 30 Prozent aller KBA-Touren aus. Im Laufe der Jahre sind neue Abteilungen im KBA hinzugekommen, die das alte Kerngeschäft mit seinen unbeweglichen Gebührenstrukturen abgelöst haben. Der Verein hat sich auf das medizinische Transportmanagement spezialisiert und fährt Patienten der Hamburger Asklepios-Kliniken Wandsbek und St. Georg, der Einrichtungen der Albertinen-Gruppe sowie von Pflegeheimen. Darüber hinaus sorgt der KBA für den klinikinternen Transport im Krankenhaus St. Georg. Hinzu kommen Dienstleistungen wie der Hausnotruf und die Ausbildung von Fachpersonal. Außerdem hat der KBA vom Arbeitersamariterbund (ASB) den Blut- und Labordienst übernommen. Bei diesen Spezialtransporten hat es der KBA zum Marktführer in Hamburg gebracht.

Laut Satzung dient der KBA ausschließlich "gemeinnützigen bzw. mildtätigen Wohlfahrtzwecken" und hat sich dazu verpflichtet, stetig neue Ideen zu entwickeln, um seine Arbeit besser zu erfüllen. Zu diesen neuen Projekten gehört ein eigens für den KBA entwickelte Schwerlastkrankenwagen für den Transport extrem übergewichtiger Patienten. Das Fahrzeug, das im vergangenen Jahr in Dienst gestellt wurde, ist heute regelmäßig im gesamten norddeutschen Raum unterwegs.

Gemeinsam mit dem TÜV hat Vollmer außerdem eine Ausbildungsinitiative ins Leben gerufen, um junge Menschen ins Unternehmen zu holen. Im Rettungsdienst und Krankentransport ist das Personal bundesweit knapp. Der KBA zahlt die Lehrgänge und bei Bedarf während der Ausbildung auch den Lebensunterhalt. Eine ungewöhnliche Aktion, denn üblicherweise müssen die angehenden Retter in Deutschland ihre Ausbildung selbst bezahlen und erhalten in dieser Zeit kein Geld. Zu den innovativen Projekten gehört auch der erste Notarzteinsatzhubschrauber (NEH) in Schleswig-Holstein, der im Sommer 2011 in Hartenholm stationiert war, seitdem jedoch nicht mehr aufgestiegen ist, weil fast alle Einsatzleistellen den Helikopter nicht für notwendig halten.

Vollmer glaubt jedoch weiter an den NEH und den großen Bedarf für dieses Transportmittel, das auf dem Luftweg den schnellen Transport eines Notarztes sicherstellen soll, wenn seine Kollegen am Boden mit ihren Fahrzeugen zuviel Zeit für die Anfahrt benötigen würden. "Es hat keinen Sinn, ein Angebot bereit zu halten, das auf formalen Gründen dort nicht angenommen wird, wo es notwendig wäre", sagt Michael Vollmer.

Jeder Bürger, der helfen will, meldet sich in einer Datenbank an

Ebenfalls fürs erste aufs Eis hat Vollmer ein neues Projekt für den Katastrophenschutz gelegt. Die Idee: Jeder Bürger, der im Ernstfall helfen will, meldet sich in einer Datenbank an und notiert dort, was er kann. Das kann die Krankenschwester oder der Bauunternehmer sein, der Trümmer beseitigt. Oder ein Busfahrer, der Transporte übernimmt oder ein Altenheim, das freie Betten meldet. "Das Projekt ist weiter in der Pipeline", sagt Michael Vollmer. "Doch uns fehlen die Sponsoren."

Auch in der Zukunft will KBA den Betrieb weiter als Verein führen, ohne Betriebsteile auszugliedern. Dieses Konzept macht es möglich, innerhalb des KBA finanziell schwache Abteilungen durch starke zu unterstützen.

Er werde oft gefragt, ob das Konzept des Vereins in dieser Branche noch zeitgemäß sei, erzählt Vollmer. Er antwortet dann: "Zeitgemäß ist das, was wirtschaftlich und gut für die Menschen ist."

In der kommenden Woche stellen wir Ihnen in unserer Firmenserie den Gartenbaubetrieb Jenkel in der Gemeinde Tangstedt vor.