In den 80er-Jahren war Klaus-Hagen Latwesen die treibende Kraft der Karl-May-Spiele - als Intendant, Regisseur, Autor und Apachenhäuptling

Hier erinnert nichts an die Apachen: Klaus-Hagen Latwesen steht an der Tür seines Hinterhofhauses in Hamburg-Altona. Weißes Hemd, rötlich-braune Lederhose, braun gebrannt, die Gesichtszüge auch mit 67 Jahren noch markant und durchaus auch ein bisschen edel. Wer es weiß, der kann sich gut vorstellen, dass dieser Mann einst den Apachenhäuptling Winnetou verkörperte.

In den 80er-Jahren war Klaus-Hagen Latwesen die treibende Kraft der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg. Er war Winnetou, er war Intendant, Regisseur, Autor. Alles in einer Person. Bis heute hat dieser Mann eine besondere Position in Bad Segeberg, auch wenn sein Name offiziell nicht mehr genannt wird. Doch so viel ist sicher: Ohne den Hamburger Schauspieler gäbe es die Karl-May-Spiele wahrscheinlich gar nicht mehr. In der mittlerweile 60-jährigen Geschichte dieser Spiele nimmt Klaus-Hagen Latwesen eine Sonderrolle ein.

In der geräumigen Küche seines Hauses in direkter Nachbarschaft zum Altonaer Rathaus breitet Klaus-Hagen Latwesen Erinnerungen aus seiner Segeberger Zeit aus. Bücher, Zeitungsartikel, Fotos. Schon im Jahr 1973 tritt er in Bad Segeberg als Winnetou in Erscheinung. Damals hatte der Absolvent der Hochschule für Musik und Theater Hannover bereits auf vielen deutschen Bühnen gestanden, in Filmen mitgespielt, als "Schinderhannes" eine beachtliche Hauptrolle in einem Fernsehfilm gehabt und einen Jugendfilmpreis gewonnen.

Die Rolle des Apachenhäuptlings sollte sein Leben verändern

Aber die Rolle des Apachenhäuptlings war dem früheren Leichtathleten praktisch wie auf den Leib geschrieben - mehr noch: Sie sollte sein Leben verändern.

In den Jahren 1974 und 1975 gibt er wieder den Winnetou, aber erst sechs Jahre später, 1981, geht es richtig los: Klaus-Hagen Latwesen macht aus den bis dahin eher biederen Spielen großes Kino. Statt Sprechtheater gibt es jetzt viel Show, immer wieder Stunt-Effekte, Tiere (amüsant: ein Junglöwe wird als Puma eingesetzt), und Filmmusik - überhaupt nutzt er als Erster die gesamte 17 000 Quadratmeter große Arena voll aus.

Die Mischung aus gestandenen Karl-May-Veteranen und Stunt-Leuten, die auch spielen könnten, macht den Reiz der Aufführungen aus. Klaus-Hagen Latwesen wagt etwas: Ein fliegender Adler, der quasi auf Kommando die Fesseln Winnetous aufpickt, und das Winnetou-Pferd Iltschi, das alleine durch den Zuschauerraum im Kalkbergrund galoppiert - all das hatte es bis dahin in Bad Segeberg noch nicht gegeben. Auf den Einsatz von Stars allerdings verzichtet er. Das Ensemble ist der Star. Oder: Das Publikum soll sich seinen Star selbst aussuchen.

Das ist der Grundsatz von Klaus-Hagen Latwesen, der natürlich auch darauf achten muss, dass er sein 500 000-Mark-Budget nicht überzieht. Einen besonderen Star allerdings hätte er gerne engagiert: Pierre Brice soll 1983 den Winnetou spielen - aber die Verantwortlichen der neu gegründeten Kalkberg GmbH lehnen das Vorhaben ab. Damals durchaus verständlich: Die angeblich geforderte Gage von 200 000 bis 300 000 Mark ist ihnen für einen Schauspieler, der seine vermeintlich beste Zeit schon hinter sich hat, einfach etliche Nummern zu groß. Einige Jahre später allerdings ist man gerne bereit, noch mehr Geld für den französischen Schauspieler auszugeben. Aber das ist eine andere Geschichte.

1986 gab es mit 164 000 Zuschauern einen neuen Besucher-Rekord

Der Erfolg der Latwesen-Inszenierungen ist zunächst eher so bescheiden, dass die Segeberger Stadtpolitiker ernsthaft über das Ende der Karl-May-Spiele nachdenken. Manche würden die Arena lieber den ganzen Sommer über an Konzertveranstalter vermieten, um auf diesem Weg mehr Geld in die Kasse der Kalkberg GmbH zu spülen.

Erst 1983 geht es mit den Karl-May-Spielen aufwärts, weil erstmals professionell geworben wird und es vor der Premiere einen offiziellen Presseempfang mit Vorführungen einzelner Szenen gibt. Die Massen strömen in das Freilichttheater. 1986 gibt es mit 164 000 Zuschauern einen neuen Rekord - bei nur 47 Vorstellungen (heute sind es 72 Vorstellungen).

Klaus-Hagen Latwesen macht die Karl-May-Spiele fit für die Neuzeit, er bereitet den Weg für die heutigen Erfolge, aber gehen muss er trotzdem. Seine Ära endet mit einem Knall, der vor dem Arbeitsgericht endet. 1987 wird ihm mitgeteilt, dass Pierre Brice von 1988 an den Winnetou spielen soll.

Seit dem Ende der Karl-May-Ära hat Latwesen viel gespielt und inszeniert

Wie geht es dem Schauspieler heute? Offensichtlich nicht schlecht. Das Hinterhofhaus in Altona bewohnt er zusammen mit seiner Frau Beate. Es war einmal das Weinlager eines Hotels an der Alten Königstraße. Auch das ehemalige Hotel an der Straße gehört dem Schauspieler. Hier wohnt Sohn Mischa, andere Wohnungen sind vermietet. Ein solches Anwesen mitten in der Hansestadt hat einen großen Stellenwert - finanziell und ideell. Familie Latwesen hat es vor 30 Jahren günstig und per Zufall als heruntergekommenes Häuserensemble erstanden und größtenteils selbst zu dem Schmuckstück gemacht, das es heute ist. Hier lebt er gerne und hat dafür sogar das Angebot einer durchgehenden Rolle in einer TV-Serie abgelehnt. "Ich hätte aus Hamburg weggehen müssen, das wollt ich nicht."

Durchgehend beschäftigt war Klaus-Hagen Latwesen seit dem Ende der Karl-May-Ära nicht, aber er hat viel gespielt, inszeniert und geschrieben. Einige Theaterstücke von ihm laufen in ganz Deutschland. In diesem Jahr hat er bereits zwei Filme fürs Fernsehen abgedreht, er hat Werbung gemacht - und bezieht mittlerweile Rente. "Das mit der Rente kann ich selbst kaum glauben", sagt der Schauspieler und lacht dabei. "Ich fühle mich noch total fit."

Heute kauft sich der Ex-Winnetou sein Ticket für die Aufführungen selbst

Einladungen zu den Karl-May-Premieren bekommt er nicht, er sieht sich die Aufführungen im Laufe der Saison aber an und kauft sich die Eintrittskarten selbst. Karl May und Bad Segeberg sind ein Stück seines Lebens, auch wenn sein Name dort nicht mehr gerne genannt wird.

Ein späte Ehrung wird Klaus-Hagen Latwesen vor sechs Jahren zuteil. Allerdings nicht von der Kalkberg GmbH. Im Vitalia Seehotel erhält er 2006 von der Karl-May-Sammlung, dem Karl-May-Archiv und der Karl-May-Stiftung den Ehrenpreis "Scharlih" für seine Verdienste um die Karl-May-Spiele. Diese späte Anerkennung seiner Verdienste habe ihn glücklich gemacht.