Elf Männer und Frauen aus der Region wollen Existenzen gründen. Im Seminar haben sie sich auf diesen Lebensabschnitt vorbereitet.

Norderstedt. Sie sind hochqualifiziert, haben ihre Jobs verloren und wollen nun auf eigene Faust ihre Zukunft gestalten: Elf Männer und Frauen aus Norderstedt und Umgebung wollen eine Existenz gründen - und einen Weg gehen, der in Deutschland noch immer vergleichsweise selten eingeschlagen wird: "16 Prozent Selbstständige gibt es bundesweit, in den EU-Staaten liegt dieser Anteil bei 55 bis 60 Prozent", sagt Josef Juncker, der das Seminar geleitet hat, in dem sich die Existenzgründer den letzten Schliff geholt haben. Bei uns herrsche immer noch der Wunsch nach sozialer Absicherung vor, das sei in anderen Ländern nicht der Fall.

Bevor die elf Männer und Frauen in die Selbstständigkeit starten, haben sie sich in einem Praxiscamp das nötige Wissen geholt. Zwei Wochen lang haben sich die Gründer in einem Seminar der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Pinneberg (WEP) in den Räumen der Wirtschaftsakademie (WAK) in Norderstedt mit Marktanalyse, Kapitalbedarf, Wettbewerb und rechtlichen Grundlagen beschäftigt.

Der Verlust des Arbeitsplatzes kann jeden treffen, auch Hochqualifizierte

Zunächst haben sie alle erfahren: Qualifikation schützt nicht vor Arbeitslosigkeit, der Job-Verlust kann jeden treffen. So wie Tanja Schmidt. Die 41-jährige Norderstedterin, Bekleidungs-Ingenieurin und Schneidermeisterin, hat bei einem großen Hamburger Online-Versand gearbeitet und ihren Job verloren. "Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass das Angestellten-Verhältnis ohnehin nicht das Richtige für mich ist, und ich lieber selbst bestimmen möchte, was ich wann mache", sagt sie.

Ihre Geschäftsidee: eine Premium-Kollektion für Reiter. Seit ihrer Kindheit sei sie mit dem Reiten vertraut, ist noch immer regelmäßig im Reitstall und sieht Bedarf für Reit-Bekleidung im gehobenen Preis-Niveau. Wie die anderen Teilnehmer arbeitet sie an ihrem Business-Plan - das A und O für Existenzgründer.

Die Geschäftsidee muss auf soliden Füßen stehen und Erfolg versprechen, nur dann gewähren die Banken die nötige Anschubfinanzierung. Und die bewegt sich bei Tanja Schmidt immerhin im sechsstelligen Bereich. Da braucht es Mut und Selbstbewusstsein, beides hat die Geschäftsfrau: "Wenn ich diesen Schritt nicht jetzt wage, wann dann?", sagt sie. Viel gelernt habe sie im 14-tägigen Vollzeitkursus, der für die Teilnehmer kostenlos ist.

+++ Existenzgründer werden intensiv beraten +++

Das bestätigt Peter Maler: Der 45 Jahre alte gelernte Automechaniker schlägt einen anderen Weg in die Selbstständigkeit ein. Er wird Franchise-Nehmer beim "Lackdoktor", übernimmt das Geschäftskonzept und macht damit sein Hobby zum Beruf. "Schon immer habe ich gern Motorräder und Autos aufgehübscht", sagt der Ellerauer, der lange als Schlosser in einem Maschinenbauunternehmen gearbeitet hat, ehe er seine Arbeit verlor. "Ich habe immer viel gearbeitet und mich voll engagiert. Und ich würde auch wieder als Angestellter arbeiten, wenn denn mein Einsatz angemessen honoriert würde", sagt Maler. Doch der Lohn entspreche nicht mehr dem Aufwand, Lob gebe es sowieso nicht.

Nun wird Maler Partner des "Lackdoktors" und will im Raum Pinneberg kleine Lack- und Lederschäden reparieren. Für Know-how und Werkzeug muss er dem bundesweit tätigen Unternehmen einen fünfstelligen Betrag bezahlen. Doch der künftige Lackdoktor sieht optimistisch nach vorn: "Im Raum Pinneberg kommen immerhin 556 Autos auf 1000 Einwohner. Es gibt aber nur eine Handvoll Kollegen, die Smart-Repair machen", sagt der künftige berufliche Einzelkämpfer, der mit Autohäusern kooperieren will. Die Bank habe den Business-Plan schon abgenickt, das Geld fließt, Maler kann demnächst loslegen.

"Der Trend geht zum einen ganz klar zu befristeten Arbeitsverhältnissen, sodass die Beschäftigten immer mit der Angst leben müssen, ihren Job zu verlieren", sagt Seminarleiter Juncker. Hinzu kämen immer längere Wege zur Arbeit. Und wer pro Woche dann insgesamt 50 Stunden und mehr investiere, um sein Leben bezahlen zu können, der könne sich auch gleich selbstständig machen.

Ein Weg in die eigene Existenz ist, einen bestehenden Betrieb zu übernehmen

Da gebe es vor allem drei Wege: das Geschäft auf eigene Faust, wie es Tanja Schmidt mit ihrer Reiter-Kollektion anstrebt, die Übernahme eines erfolgreichen Geschäftskonzeptes wie bei Maler, oder aber der Gründer übernimmt einen bestehenden Betrieb. Dieses Modell verfolgt auch Sabine Anders. "Ich möchte gern in eine Frühstückspension an der Ost- oder Nordsee einsteigen", sagt die Pinnebergerin. Noch gibt es kein konkretes Projekt, aber die 45-Jährige kann jederzeit starten.

Thomas Straube hingegen möchte seine Existenz mit einem mobilen Fleisch- und Wurstverkauf sichern. "Vor allem in den ländlichen Bereichen gibt es gerade für ältere Menschen oft wenig Möglichkeiten, Wurst und Fleisch von guter Qualität einzukaufen", sagt der 31-jährige Ellerauer, der nach den Erkenntnissen aus dem Praxiscamp seinen Business-Plan zum dritten Mal überarbeitet. Wie die anderen ist er begeistert vom Praxiscamp: "Hier habe ich noch enorm viel dazugelernt, vor allem auch, was die Versicherungen und die private Altersvorsorge angeht", sagt Straube.