Ein Jahr lang leitete Karl-Heinz Richter ehrenamtlich die Stadtverwaltung in Kaltenkirchen. Am 2. Januar ist Schluss. Erster Stadtrat bleibt er.

Kaltenkirchen. Die größte Aufregung begann, als Karl-Heinz Richter sich schon auf das Ende seiner Arbeit im Rathaus vorbereitet hatte. Um 2 Uhr klingelte in der Nacht zum Dienstag das Telefon. Die Feuerwehr war dran und bat den Ersten Stadtrat als obersten Chef der Einsatzkräfte, zum "Großen Karl" zu kommen. 300 Feuerwehrleute waren dort, wie berichtet, bei einem Brand im Einsatz, 100 Menschen mussten das Hochhaus verlassen. Keine Frage, der pflichtbewusste Richter fuhr los und informierte sich an der Einsatzstelle. Aufgaben wie diese gehören zum Job des Ersten Stadtrats, wenn der Bürgermeister nicht im Amt ist.

Seit einem Jahr leitet der 69-jährige Christdemokrat ehrenamtlich die Stadtverwaltung, die im Normalfall von einem hauptamtlichen Bürgermeister geführt werden soll. Doch normal lief in der Politik und der Verwaltung Kaltenkirchens in diesem Jahr kaum etwas. Ex-Bürgermeister Stefan Sünwoldt lag im Dauerclinch mit der Stadtvertretung, die ein Abwahlverfahren gegen ihn einleitete und den Verwaltungschef in den einstweiligen Ruhestand versetzte. Es folgten der Abwahlkampf und der Wahlkampf der Kandidaten, die die Nachfolge Sünwoldts antreten wollten. Ein langer Prozess, den Richter stets als amtierender Verwaltungschef beobachtete und mitorganisierte. Im Rathaus liefen die Fäden der Wahlen zusammen. Vermutlich hat noch nie ein ehrenamtlicher Politiker so lange eine Stadtverwaltung geleitet wie Richter.

"Ich empfand das als meine Pflicht", sagt der Landwirt, der seit mehr als 30 Jahren in der Stadtvertretung sitzt. Als er zum Ersten Stadtrat und damit zum Vertreter des Bürgermeisters gewählt wurde, habe er nicht ahnen können, dass ihn das Ehrenamt dermaßen fordern würde und sich zu einem hauptamtlichen Job auswachsen könnte. 50 Stunden pro Woche sei er im Durchschnitt pro Woche für die Stadt im Einsatz gewesen, hat Richter errechnet. "Das ist ein knackiges Pensum", sagt er und gibt zu, zuweilen die Grenzen der Belastbarkeit gespürt zu haben - besonders, wenn auf einen arbeitsreichen Tag noch Abendtermine folgten. Den Job hinschmeißen wollte er jedoch nie - aus Pflichtbewusstsein. Die Aufwandsentschädigung dürfte ihn nicht gelockt haben, den Job des Interimsbürgermeisters zu übernehmen. Gerade mal 44 Euro pro Tag zahlt die Stadt.

Dass er ein Jahr lang "unfallfrei" die Verwaltung geführt hat, sollte allerdings nicht zu dem Rückschluss führen, dass eine Stadt wie Kaltenkirchen auf Dauer ohne hauptamtlichen Bürgermeister auskomme, meint Richter. "Dafür braucht man einen Verwaltungsfachmann", sagt der 69-Jährige, der froh ist, dass er nicht allein die Aufgaben bewältigen musste. "Ich konnte mich jederzeit auf das Team im Rathaus verlassen." Auch der Kontakt zu den "richtigen" Bürgermeistern in den Umlandgemeinden habe funktioniert. Richter wurde bei allen Terminen als Verwaltungschef der zweitgrößten Stadt des Kreises Segeberg akzeptiert.

Richters eigene Bilanz des Vertretungsmarathons fällt durchwachsen aus. Dass die Probleme im "Großen Karl" immer noch ungelöst sind, ärgert Richter am meisten. Immer wieder hat er in den vergangenen Monaten daran erinnert, dass die Kreisverwaltung dafür zuständig ist, für die Sicherheit in dem Hochhaus zu sorgen. Gern hätte der Erste Stadtrat auch über Fortschritte bei der Bebauung des Bahnhofsumfelds berichtet, doch noch immer schweigt der Gazit-Konzern darüber, was mit seinem Grundstück am Bahnhof geschehen wird. Die Stadt hatte auf der Fläche ein neues Geschäftsviertel geplant und wartet seit Jahren darauf, dass Gazit die Bagger anrücken lässt. Doch inzwischen redet der Konzern nicht einmal mehr mit der Stadt. "Die lassen sich verleugnen und rufen nicht zurück", klagt Richter.

Als Erfolg verbucht Richter, dass es ihm gelungen ist, trotz der Turbulenzen Ruhe und Kontinuität in der Verwaltung zu gewährleisten. Froh ist er außerdem über die Ansiedlung der Firma Jungheinrich, die im Gewerbegebiet ein Logistikzentrum baut. "Das ist jedoch nicht mein Verdienst", sagt Richter. "Das haben wir der Verwaltung und den Stadtwerken zu verdanken."

Zweimal für jeweils eine Woche hat Richter in diesem Jahr Urlaub gemacht. Im Sommer reiste er mit seiner Frau, den drei Kindern und ihren Familien in ein großzügiges Ferienhaus an der dänischen Nordseeküste. Im Januar, wenn Hanno Krause hauptamtlich den Chefposten im Rathaus übernimmt, will sich Richter zu Hause erholen. "Ich freue mich auf die Zeit mit der Familie", sagt er. Außerdem will er wieder jagen gehen und sich wieder intensiver um seinen neuen Wald kümmern. Vor sechs Jahren hat er 4,5 Hektar auf seinem Grundstück angepflanzt. "Die muss ich pflegen", sagt Richter und freut sich darauf, wieder mit dem Trecker aufs Land zu fahren.

Erster Stadtrat will er fürs Erste bleiben und weiterhin den Bürgermeister bei Urlaub oder Krankheit vertreten. Nach der nächsten Kommunalwahl im Jahr 2013 ist damit jedoch endgültig Schluss. Richter will nicht noch einmal für einen Sitz in der Stadtvertretung kandidieren.