Viele Politiker der Liberalen aus dem Kreis Segeberg fordern ein Ende der Personaldebatte. Rösler hat noch eine Chance verdient

Kreis Segeberg. Mit deutlicher Kritik an der Bundes-FDP reagieren FDP-Politiker in den Kreis- und Ortsverbänden auf den Rücktritt von Generalsekretär Christian Lindner, die anhaltenden Personalquerelen in der Parteispitze und das anhaltende Tief in den Umfragen. Joachim Behm, langjähriger Vorsitzender des Segeberger FDP-Kreisverbandes (1996 bis 2009), hält Parteichef Philipp Rösler nicht mehr für den richtigen Mann an der Parteispitze, bleibt aber mit seinem Wunsch nach Führungswechsel allein.

Behms Nachfolgerin Katharina Loedige, zugleich Landtagsabgeordnete und -kandidatin für die Wahl im nächsten Frühjahr, hält Rösler als Parteivorsitzenden zurzeit noch für tragbar, empfindet die Entwicklung der Bundespartei aber als sehr enttäuschend. Das helfe nicht gerade, die Wähler für die Liberalen zu begeistern. Die Kaltenkirchenerin muss und will den Wählern in Schleswig-Holstein aber klar machen, dass es um die Liberalen im Norden ganz anders steht. "Für Schleswig-Holstein trifft die FDP-Misere nicht zu", sagt die Abgeordnete. Sie will verhindern, dass die Landes-FDP mit der Bundes-FDP von den Wählern in einen Topf geschmissen wird. Als eine ihrer dringlichsten Aufgaben betrachtet sie es auch, die aktiven Mitglieder bei der Stange zu halten. "Denn im Wahlkampf brauchen wir jeden Kopf."

Von Philipp Rösler ist Loedige enttäuscht, eine Alternative sieht sie derzeit nicht. Wolfgang Kubicki, schillernder FDP-Fraktionschef im Kieler Landtag, sollte ihrer Ansicht nach auf keinen Fall an die Parteispitze wechseln. "Der ist in Schleswig-Holstein unersetzbar." Parteiaustritte hat die FDP-Kreisvorsitzende bisher nicht registriert. Zuletzt seien sogar etliche eingetreten.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Koppelin empfiehlt dem Parteichef, den Blick nach vorne zu richten. "Rösler weiß, worum es geht, ich werde ihn stützen." Nach Ansicht des Barmstedters, der die FDP in Schleswig-Holstein von 1993 bis November 2011 führte, muss sich der Vorstand mehr als Team präsentieren. Schon vor Monaten hatte Koppelin von einem zu radikalen Generationswechsel an der Parteispitze gesprochen. "Ich weiß, wie der Zustand der FDP ist; wir haben viel erreicht, stellen es aber zu wenig heraus." Schon kurz nach dem Rücktritt Lindners hatte Koppelin den Schritt im ZDF als "konsequent" bezeichnet.

Der ehemalige FDP-Kreisvorsitzende Joachim Behm aus der FDP-Hochburg Bad Bramstedt ist vom Rücktritt Christian Lindners überrascht, aber er setzt nach wie vor Hoffnungen in ihn: "Seine Karriere ist noch nicht beendet." Behm zählt den ehemaligen Generalsekretär zusammen mit Rainer Brüderle und einigen anderen zum Kreis, aus dem ein möglicher neuer FDP-Vorsitzender kommen könnte. Denn an Rösler glaubt er nicht mehr: "Der ist intellektuell gut, aber er ist keine Kämpfernatur." Die FDP sei insgesamt von der Regierungsverantwortung überrollt worden, viele Fehler seien an Guido Westerwelle festzumachen. Die Lösung, Patrick Döring als neuen Generalsekretär zu installieren, findet Behm interessant: "Das ist eine gute Lösung, den kenne ich schon seit Jahren persönlich - und ich schätze ihn."

"Wir müssen endlich wegkommen von der unseligen Personaldebatte und unsere Inhalte und Ziele glaubwürdig vermitteln", sagt Hans-Jürgen Kütbach, einziger hauptamtlicher FDP-Bürgermeister im Kreis Segeberg. Auf Bundesebene habe die FDP große Defizite in der Außendarstellung. Kütbach plädiert dafür, an Rösler festzuhalten, er müsse allerdings noch in die Schuhe hineinwachsen und einen "kräftigen Entwicklungssprung" hinlegen. Kütbach ist skeptisch, ob das Gespann Rösler/Döring die FDP aus der Krise führen kann. "Ich fürchte, die beiden sind sich zu ähnlich." Die Menschen in den Ortsverbänden seien verärgert und frustriert über die ständige Personaldebatte.

"Die Parteiführung muss sich endlich am Riemen reißen und die Basis mal fragen, was die eigentlich will", sagt Norderstedts FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Schroeder. Und das seien vor allem Inhalte. Die FDP müsse sich klar als Rechtsstaats- und Europa-Partei positionieren. Rösler habe noch eine Chance verdient, er müsse aber die "Politik des Lächelns" durch "Ecken und Kanten" ergänzen. Das Ende der FDP sieht Schroeder nicht gekommen: "Ich bin seit 39 Jahren in der Partei und habe mehrere Tiefs erlebt. Dann stehen wir wieder auf und kämpfen weiter."