Eine Hundebesitzerin verlangt 4500 Euro Schadenersatz, weil die Feuerwehr ihre Bulldogge nach einem Angriff auf ein Kind überfahren hat.

Fahrenkrug. Eigentlich würden die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Fahrenkrug den 3. Oktober diesen Jahres sicherlich gern vergessen. Ein ganzes Dorf war an jenem Montag in Aufruhr, nachdem eine Jugendliche zwischen zwei sich beißende Hunde geraten, glücklicherweise aber mit verhältnismäßig geringen Verletzungen davongekommen war. Die Tiere, ein American Bulldog und ein Boxermischling, flüchteten und wurden schließlich getötet (wir berichteten). Nun fordert Besitzerin Bianca H. Schadenersatz von der Gemeinde Fahrenkrug: 4500 Euro für die Ausbildungskosten von Tonka, einem American Bulldog, der von der freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde überfahren worden war.

Merlin und Tonka gerieten an jenem Montag völlig außer Kontrolle

Zu Erinnerung: Zu dem Hunde-Drama in Fahrenkrug kam es, als Merlin und Tonka, die beiden Hunde von Bianca H., die normalerweise getrennt voneinander gehalten werden, aufeinander trafen und sich sofort ineinander verbissen und völlig außer Kontrolle gerieten. Die 14-jährige Tochter Amelie, die allein zu Hause war, versuchte die beiden Hunde zu trennen, wurde allerdings gebissen. Ein Bauer aus der Nachbarschaft ging schließlich dazwischen, verletzte die Hunde mit Gartengeräten. Merlin und Tonka liefen auf die Straße; die Polizei folgte den blutenden Tieren und warnte die Bürger per Megafon. Nach einer längeren Verfolgungsjagd wurde Merlin schließlich von der Polizei erschossen. Tonka wurde von einem Einsatzfahrzeug der örtlichen Feuerwehr überfahren und starb.

Das Schriftstück von Hundehalterin Bianca H., in dem sie ihre Forderung begründet, ist 17 Seiten lang. Auf den ersten drei Seiten wird die angebliche Willkür der Fahrenkruger Feuerwehr während des Einsatzes geschildert. Absichtlich sollen die freiwilligen Helfer den Hund überfahren haben, schreibt die 43-Jährige. "Dann folgen 14 Seiten mit Stellungnahmen von Leuten, die schildern, wie lieb und nett die Hunde gewesen seien", sagt Bürgermeister Rolf Studt.

Während der vergangenen Gemeinderatssitzung berichtete Studt von E-Mails aus ganz Deutschland, in denen er von Hundefreunden und Tierschützern aufgefordert wird, das Vorgehen der Feuerwehr zu ahnden. Doch daran denkt er gar nicht: "Wir stehen hinter unserer Feuerwehr", betonte Studt. "Wir werden keinen Cent zahlen."

Eigentlich sollte das Thema nicht öffentlich abgehandelt werden. Doch die Angelegenheit schaukelt sich immer weiter hoch: Auf ihrer Internetseite und der Homepage des Allgemeinen Klubs für Rassehunde, in dem Bianca H. im Vorstand tätig ist, wirft sie den Einsatzkräften in einer unterschriebenen Stellungnahme vor, im "Mordrausch" gewesen zu sein. Im Gästebuch der Seite sympathisieren Hundehalter und Tierschützer mit der Hundebesitzerin, schimpfen auf die Einsatzkräfte.

Bei Einträgen in Gästebüchern bleibt es nicht: Wehrführer Michael Thiele berichtet von kettenbriefähnlichen E-Mails an die Feuerwehr, in denen sie auch immer wieder als "bestialische Mörder" bezeichnet würden. "Das grenzt an Rufmord", sagte Thiele erbost. Inzwischen habe er auch sein Telefon umgemeldet, da er Tag und Nacht Anrufe mit Vorwürfen bekommen habe.

Thiele selbst muss immer wieder an den 3. Oktober denken: Blutüberströmt sei Amelie gewesen. Die Hunde seien auch draußen noch ineinander verbissen gewesen. Bevor sie nicht getrennt wurden, habe sich der Notarzt nicht aus dem Auto getraut. Man habe versucht, die Tiere in den Kellereingang zu treiben, doch sie seien durch das Dorf geflüchtet. Bei der Suche, so Thiele, sei einer der Hunde dann in einer unübersichtlichen Kurve vor das Auto gelaufen. "Das war ein Unfall", betonte der Wehrführer.

Diese Auffassung bestreitet Bianca H. Sie habe einen Zeugen, der gesehen haben will, wie das Fahrzeug der Feuerwehr extra auf die linke Fahrbahn gewechselt sei, um den Hund zu erwischen. Auch sollen einige Feuerwehrleute damit geprahlt haben, den Hund "platt gemacht" zu haben. "Noch heute kann man an der Stelle das eingesickerte Blut sehen", sagte H. Deshalb habe sie auf ihrer Webseite von Mordrausch geschrieben.

Nun erwägt auch die Gemeinde, rechtliche Schritte einzuleiten

Mit den Belästigungen per Telefon und E-Mail habe sie nichts zu tun, versicherte H., die die Kosten für die Ausbildung ihrer Hunde zurückfordert. "Ich wollte der Gemeinde die Chance geben, den Betrag freiwillig zu bezahlen, bevor wir vor Gericht gehen", erklärte H. auf Nachfrage. Auch die Polizei, die den zweiten Hund erschossen hat, sei aufgefordert worden, Schadenersatz zu leisten.

Nun will sich auch die Gemeinde Fahrenkrug anwaltlich beraten lassen, wie gegen die Anschuldigungen vorgegangen werden kann.