Was steckt hinter der Tradition des Adventskalenders? Das Heimatmuseum Ellerau sucht nach Spuren - und zeigt 40 Kalender.

Ellerau. Es gibt sie schmal und hoch, als Kaufmannsladen, als Schneekugel, als Puzzle aus 24 selbst gemalten Bildern, als Socken am Band, mit und ohne Schokolade - wenn es darum geht, Adventskalender zu gestalten, entwickeln die Hersteller eine enorme Fantasie. Das gilt für Profis wie für alle, die Kinder, Frau oder Mann mit einem selbst gebastelten Kalender überraschen wollen. Wer weder Zeit noch Mühe investieren will, geht einfach in den Laden und kauft sich das passende Objekt.

Doch seit wann gibt es den vorweihnachtlichen Brauch? Und wie sahen die Kalender aus, als Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde und die Menschen Mühe hatten, überhaupt satt zu werden? "Ich weiß noch, dass die Adventskalender in der Nachkriegszeit behandelt wurden wie rohe Eier. Sie wurden nicht nach Heiligabend einfach in den Müll geschmissen, sondern im nächsten Jahr wieder verwendet. Das war möglich, weil hinter den Türchen noch keine Schokolade steckte", sagt Rolf Heuser, stellvertretender Vorsitzender des Heimat- und Museumsvereins Ellerau, der mit seinen Helfern alte Adventskalender im Museum zu einer Sonderausstellung aufgebaut hat. Sie wird am Sonntag, 27. November, eröffnet (Öffnungszeiten s. Info-Kasten).

40 Kalender sind im ersten Stock des Heimatmuseums aufgebaut. "Eine Kollegin meiner Frau aus Norderstedt hatte die Sammlung zusammengetragen, die sie uns überlassen hat", sagt Heuser, der die Kollektion noch ergänzt hat. Die Schau zeigt Kalender aus der viktorianischen Zeit um 1900 und einen Querschnitt von Exemplaren aus den Jahren 1946 bis 1960.

Aus dem Sortiment der eckigen Kalender ragt ein Ausstellungsstück allein schon durch seine ungewöhnliche Form heraus: Die Schneekugel fällt sofort ins Auge. Wer neugierig ist und die Türchen vorsichtig öffnet, findet keine Nahrung für den Magen, sondern Sprüche, die der Seele und dem Partner guttun: "Wann waren wir zum letzten Mal im siebten Himmel?", steht da zum Beispiel auf einem der kleinen, leicht verblichenen Zettel.

"Die Ursprünge des vorweihnachtlichen Brauchs reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück", sagt Heuser, der für die Sonderausstellung auf Spurensuche gegangen ist. Zunächst, so ergab die Recherche, war der Adventskalender vor allem Zählhilfe und Zeitmesser für die verbleibenden Tage bis zum Weihnachtsfest. Der erste selbst gebastelte Adventskalender stammt vermutlich aus dem Jahr 1851.

Die ersten Kalender kamen aus dem protestantischen Umfeld. So hängten religiöse Familien nach und nach 24 Bilder an die Wand. "Einfacher und effektvoller war eine Variante mit 24 an die Wand oder Tür gemalten Kreidestrichen, bei der die Kinder täglich einen wegwischen durften", sagt Heuser.

Oder es wurde für jeden Tag bis Heiligabend ein Strohhalm in eine Krippe gelegt. Weitere Formen waren die Weihnachtsuhr oder eine Adventskerze, die jeden Tag bis zur nächsten Markierung abgebrannt wurde. 1902 veröffentlichte die Evangelische Buchhandlung in Hamburg den ersten gedruckten Kalender in Form einer Weihnachtsuhr für Kinder. Nach 1920 verbreiteten sich schließlich Kalender, deren Fensterchen man öffnen konnte. Hinter jedem Fensterchen war auf einer zweiten, angeklebten Papier- oder Pappschicht ein Bild zu sehen.

Die Nationalsozialisten ersetzten die christlichen Motive durch die Wintersonnenwende unter dem Hakenkreuz. Statt Bildern wurden nun Märchenfiguren und germanische Gottheiten gedruckt. "Der Zweite Weltkrieg beendete die Produktion von Adventskalendern. Es gab zu wenig Papier und das Verbot, Bildkalender herzustellen", sagt der Ausstellungsleiter. Richard Sellmer gründete 1946 einen Verlag und brachte den ersten Adventskalender nach dem Krieg heraus.

Garniert hat das Museumsteam die Kalender-Schau mit Holzspielzeug. Zu sehen sind unter anderem ein "stabiles Schaukelpferd", das Heuser aus Finnland mitgebracht hat, eine Brio-Bahn und ein Kran. "Damit haben wir doch alle schon mal gespielt. So mancher wird sich gern daran erinnern", sagt Heuser.