Prozess vor dem Schöffengericht: 29-Jähriger soll nach Meinung der Staatsanwaltschaft betrunkene Frau im Auto missbraucht haben

Bad Segeberg. Was geschah vor ziemlich genau einem Jahr im November 2010 auf dem Kaufland-Parkplatz in Bad Segeberg? Diese Frage können nur die Beteiligten Heiko F., 29, aus Westerrade und sein mutmaßliches Opfer Lisa W. aus Schackendorf beantworten. Fest steht, dass die junge Frau von einer Gruppe junger Leute weinend und mit entblößter Brust auf dem Parkplatz angetroffen wurde. Weiter ist durch Zeugenaussagen belegt, dass Lisa W. so stark betrunken war, dass sie sich in der Diskothek "Antikschuppen" kaum auf den Beinen halten konnte und mehrmals umfiel und dass Heiko F. die Frau zu seinem Auto trug.

Nach Meinung der Staatsanwaltschaft missbrauchte Heiko F. die ihm schutzlos ausgelieferte Frau in seinem Auto und hielt sie fest, sodass sie seinen Wagen nicht verlassen konnte - bis die jungen Leute kamen und Lisa W. fliehen konnte.

Vor dem Schöffengericht in Bad Segeberg schweigt der Angeklagte und lässt lediglich durch seinen Anwalt erklären, die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen. Nach Ansicht des Verteidigers hätte gar keine Anklage erhoben werden dürfen. Dass das vermeintliche Opfer mit entblößter Brust angetroffen wurde, besage nichts. Lisa W. leide unter Depressionen und Alkoholproblemen. Ihre Glaubwürdigkeit müsse durch ein Gutachten geklärt werden.

Lisa W., die zum Prozess nicht erscheint, aus Angst vor ihrem mutmaßlichen Peiniger, wie sie schriftlich erklärt hat, beschuldigte auch einen Fußballkumpel des Angeklagten, sie sexuell bedrängt zu haben. Lars B., 23, der die junge Frau aus seiner Schulzeit kennt, bestreitet diese Anschuldigung und ging zur Polizei, als Lisa W. ihn in mehreren Telefonnachrichten mit Anschuldigungen überhäufte.

Obwohl das mutmaßliche Opfer nicht erschienen ist, möchte Richterin Sabine Roggendorf den Termin nicht platzen lassen und vernimmt die zahlreichen geladenen Zeugen. Mehrere Fußballkumpel des Angeklagten, die Lisa W. in der Tatnacht im "Antikschuppen" erlebten, erzählen davon, wie betrunken die junge Frau gewesen sei und dass so etwas bei ihr häufig vorgekommen sei. Immer wieder sei W. zu Boden gefallen und von hilfreichen Händen oder Armen wieder aufgehoben worden - ein Umstand, der für die Verteidigung von großer Bedeutung ist, da bei diesen Aufstehaktionen die Kleidung der jungen Frau derangiert wurde. Möglicherweise war deshalb später ihre Brust entblößt. Lisa W. soll sich an den Angeklagten gehängt und mit ihm getanzt haben. Sie sei nach Aussage der Zeugen auf Schmusekurs gegangen. Eine Gruppe von fünf jungen Leuten beobachtete, wie der Angeklagte Lisa W. auf seiner Schulter über die Bahnschienen trug und sie in sein Auto verfrachtete. Eine Zeugin spricht davon, dass Lisa W. geschrien habe. Der Angeklagte soll zu den jungen Leuten gesagt haben: "Das ist meine Freundin, die zickt herum." Den jungen Leuten kam die Sache verdächtig vor, weshalb sie mit ihrem Auto zu dem Kaufland-Parkplatz fuhren, wo der Angeklagte mit Lisa W. im Auto saß. Als die Zeugen ihren Wagen neben dem des Angeklagten parkten, öffnete sich die Tür des Fahrzeugs des Angeklagten und Lisa W. fiel heraus. Ob der Angeklagte die junge Frau heraus stieß oder sie sich flüchtend losriss, kann nicht geklärt werden. Die Zeugenaussagen weichen in diesem wie auch in anderen Punkten voneinander ab. Die weinende Lisa W. soll zu einem der Zeugen gesagt haben: "Der hat versucht, mich zu vergewaltigen." Die jungen Leute konnten mühsam aus Lisa W., die sie ebenfalls als sehr stark alkoholisiert beschreiben, die Adresse ihrer Eltern herauskriegen und fuhren sie zum Elternhaus.

Nochmals betont der Verteidiger, dass die in einigen Punkten voneinander abweichenden Zeugenaussagen nichts beweisen. Die Richterin gibt jedoch zu bedenken, dass es merkwürdig sei, dass der Angeklagte erst den edlen Ritter gespielt habe, der Lisa W. nach Hause bringen wollte. Dann warf er sie aus dem Auto und überließ sie auf dem Parkplatz ihrem Schicksal. Fühlte er sich vielleicht doch ertappt?

Diese Fragen sollen in einem weiteren Gerichtstermin, zu dem die Hauptzeugin Lisa W. vorgeführt werden soll, geklärt werden.