Studie der Bertelsmann-Stiftung sieht Defizite bei der Lesekompetenz an weiter führenden Schulen. Stärken hat der Kreis beim Beruflichen Lernen

Kreis Segeberg. Die Schüler an den weiter führenden Schulen im Kreis Segeberg können schlecht lesen. Völlig unzureichend ist die Lesekompetenz im Fach Deutsch, nicht viel besser sieht es in Englisch aus. Das ergibt sich aus dem Deutschen Lernatlas, der aktuellen bundesweiten Bildungsstudie der Bertelsmann-Stiftung ( www.deutscher-lernatlas.de ).

Bei der Lesekompetenz in Deutsch belegt der Kreis Segeberg Platz 141 von 144 vergleichbaren Landkreisen. In Englisch reicht es für Rang 107. Allerdings sind das nur zwei von insgesamt 36 Kriterien, die für die Bildungsstudie untersucht wurden. In anderen Bereichen schneiden die Segeberger deutlich besser ab, sodass insgesamt Platz 93 herausspringt, was innerhalb der Kreiswertung gerade noch als durchschnittlich gelten kann, aber ziemlich genau dem Bundesdurchschnitt insgesamt entspricht.

Mittelmaß ist auch Schleswig-Holstein mit einem Platz genau in der Tabellenmitte der 16 Bundesländer. Mit einem Indexwert von 46,44 schneidet der Kreis Segeberg besser ab als das Land (43,97, siehe Grafik). Auch in der Metropolregion Hamburg landen die Segeberger im Mittelfeld, hinter den Landkreisen Stormarn und Harburg, aber vor Pinneberg.

Im Lernatlas wird erstmalig gezeigt, wie es um das Lernen in Deutschland und seinen 412 Kreisen und kreisfreien Städten steht. Im Bundesvergleich leicht überdurchschnittlich schneiden die Segeberger Schüler bei den mathematsch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen ab. Im Kreis Segeberg gibt es weniger Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss und weniger Klassenwiederholer als im Bundesschnitt. Klare Stärken zeigen sich beim Beruflichen Lernen, wo der Indexwert den Bundeswert deutlich übersteigt. Ungewöhnlich viele Jugendliche schließen im Kreisgebiet ihre Ausbildung ab. Der Indexwert von 91,52 überragt den deutschlandweiten Vergleichswert von 67,40 deutlich.

Der Lernatlas nimmt Abschied von der Feststellung, dass allein Schule eine erfolgreiche berufliche Zukunft garantiert. Laut Studie heißt Lernen lebenslanges Lernen, sodass die Analyse durch Soziales und Persönliches Lernen erweitert wurde. Im Fokus hatte die Studie Bürger, die sich ehrenamtlich allgemein engagieren, in der Kirche mitarbeiten, in der freiwilligen Feuerwehr, im Deutschen Roten Kreuz oder solche, die eine Knochenmarkspende geben würden. In den meisten Kategorien sind die Segeberger weniger engagiert als die meisten anderen Bundesbürger, allerdings opfern überdurchschnittlich viele Männer und Frauen Freizeit und Kraft für den Dienst in den vielen Ortswehren. Auch bei der politischen Teilhabe (Wahlbeteiligung und Mitgliedschaft in einer Partei) liegt der Kreis Segeberg leicht über dem Bundesschnitt. Überdurchschnittlich ausgeprägt sind auch die Bereitschaft zur persönlichen Weiterbildung in Kursen der Volkshochschulen und das kulturelle Interesse.

"Mit dem Deutschen Lernatlas will die Bertelsmann Stiftung mehr Transparenz über die Lernbedingungen schaffen. Der Deutsche Lernatlas zeigt uns, wo die Voraussetzungen für lebenslanges Lernen am besten sind", erläuterte Jörg Dräger, für Bildung zuständiges Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.

Die Schüler nehmen sehr erfolgreich an Vorlesewettbewerben teil

"Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie die Studie zu der Erkenntnis kommen kann, dass die Jugendlichen an den weiterführenden Schulen schlecht lesen können", sagt Thomas Clemen, Lehrer am Norderstedter Lessing-Gymnasium und Ortsvorsitzender im Philologenverband. Sowohl seine tägliche Praxis, als auch Gespräche mit Kollegen oder der Verbandsarbeit widersprächen diesem Ergebnis komplett. Zumindest für die Gymnasien müsse er eine ungenügende Lesekompetenz ausschließen. "Im Gegenteil: Die erfolgreiche Teilnahme von Gymnasiasten an den Vorlesewettbewerben beweist doch, wie gut sie mit Texten umgehen können", sagt Clemen. Ohnehin hätten die Gymnasien in Schleswig-Holstein in früheren Bildungsstudien gut abgeschnitten. Möglicherweise sei veraltetes Datenmaterial in die Studie eingeflossen.

Auch die Leiterin der Stadtbücherei Norderstedt, Susanne Martin, kann das schlechte Abschneiden der Segeberger Schüler bei der Lesekompetenz nicht nachvollziehen: "Wir betreiben in Kooperation mit den Schulen eine intensive Leseförderung, die weit über die Grundschulzeit hinausreicht." So nehmen die Schüler bis in die Oberstufe hinein an speziellen Bibliotheks-Curricula teil - in den vier Stadtbüchereien gibt es thematisch zusammengestellte Bücherkisten zur Unterrichtsbegleitung und zur allgemeinen Leseförderung. Die Bibliothekare machen Vorschläge, welche Bücher sich für die Klassen- oder Schülerbücherei und entwickeln mit den Lehrern Konzepte für schulische Lesenächte oder einen Tag des Buches.

Die intensive literarische Betreuung zahlt sich aus: In einer Langzeitstudie haben die Norderstedter Bibliothekare festgestellt, dass das Interesse an Büchern mit dem Alter der Kinder und Jugendlichen wächst. So haben inzwischen 73 Prozent des Geburtsjahrgangs 2002 einen Leseausweis für die kommunale Bibliothek. Der Anteil ist kontinuierlich gestiegen, im Jahr 2008 lag er noch bei 45 Prozent.