Rhens Pastor Michael Schulze besuchte sein Patenkind in Bolivien - und versucht dem Neunjährigen einen Weg aus der Armut zu ebnen.

Henstedt-Ulzburg. Jjonathan wohnt dort, wo die Sonne häufiger scheint als in Deutschland. Aber auf der Sonnenseite lebt er trotzdem nicht: Zusammen mit seinen Eltern, seiner Oma und Geschwistern lebt der neun Jahre alte Junge in Campo Rosa, einem Vorort von Santa Cruz in Bolivien. Die Unterkunft ist ärmlich, die Chancen für die Kinder sind im allgemeinen schlecht: Wer hier Armut lebt, wird es kaum schaffen, den Weg zu verlassen und den Kreislauf zu durchbrechen, um vielleicht etwas mehr zu werden als Hilfsarbeiter. Für den Jjonathan, 9, könnte es einen anderen Weg geben: Er hat in Deutschland einen Paten, mit dessen Hilfe er Privilegien genießt, die seine Eltern niemals finanzieren könnten. Pastor Michael Schulze von der St.-Petrus-Gemeinde in Henstedt-Rhen ist sein "Patenonkel". Und der hat sich auf den weiten Weg nach Bolivien gemacht, um Jjonathan zu besuchen.

Der Besuch bei seinem Patenkind in Campo Rosa ist auf mehrfache Weise bemerkenswert: Michael Schulze hat dafür seine Sabbatzeit genutzt. Eine Sabbatzeit ist der bewusste Ausstieg auf Zeit. Raus aus der Routine, aus dem Alltag, eintauchen in eine andere Welt. Zeit haben und Zeit nehmen für persönliche Entwicklung, Ruhe, Orientierung, Gebet, Träume, Ungewöhnliches oder Alltägliches. Nach 15 Jahren Amtszeit hat sich der Rhener Pastor diesen kleinen Luxus gegönnt: Zwölf Wochen Sabbatzeit, dazu der Jahresurlaub - viereinhalb Monate war Michael Schulze unterwegs. Die Gemeindearbeit lief natürlich trotzdem weiter. Michael Schulze freut sich, dass er nach seiner Rückkehr "ein geordnetes Haus" vorfindet "Ich bin stolz auf meine Gemeinde."

Zweieinhalb Monate arbeitete er in Lima (Peru), wo er in einem Waisenhaus ein behindertes Kind betreute. Ehrenamtlich natürlich, denn sein Pastorengehalt wurde ja weiter gezahlt. Von Peru nach Bolivien es ein vergleichsweise kleiner Sprung. Zwei Stunden im Flugzeug, dann war Michael Schulze in dem Ort, wo sein kleiner Jjonathan lebt. Seit zwei Jahren ist er über das christliche Kinderhilfswerk Compassion Pate für den kleinen Jungen. 30 Euro zahlt Michel Schulze jeden Monat, zu Weihnachten gibt er freiwillig etwas mehr: 100 Euro für das Projekt, 100 Euro direkt für Jjonathans Familie. Eine Menge Geld für bolivianische Verhältnisse. Der Durchschnittsverdienst beträgt dort gerade mal 200 Euro pro Monat. Mit diesem Geld wird das Hilfswerk der Christo-Rey-Kirche finanziert: Jjonathan und 160 weitere Kinder bekommen Hausaufgabenhilfe, besondere Mahlzeiten, Gesundheitsfürsorge und christlichen Unterricht.

Ein Besuch beim Patenkind, mit dem sich Michael Schulze regelmäßig schreibt, darf nicht zu einer Zeremonie ausarten: Keine protzigen Geschenke, kein Bargeld für das Kind und nur einen Tag direkten Kontakt. "Man darf nicht den Weihnachtsmann spielen", sagt der Henstedt-Ulzburger Pastor. Darüber wachte der Projektleiter, der bei der Begegnung ebenso dabei war wie ein Übersetzer und Familienmitglieder. "Anfangs war Jjonathan schüchtern", erinnert sich Michael Schulze. Aber der Rucksack brach das Eis: Eine Kinderbibel und vor allem deutsche Süßigkeiten machten den Jungen munter.

Die gemeinsame Zeit mit dem deutschen Patenonkel brachte ihm noch weitere aufregende Ereignisse: Zum ersten Mal in seinem Leben speiste er in einem Restaurant, außerdem stand ein kleiner Einkaufsbummel auf dem Plan: Der neunjährige Jjonathan durfte sich einen Fußball aussuchen.

Der Junge hat die Chance, aus seinem Leben mehr zu machen als viele seiner Spielkameraden. Aber Michael Schulze will versuchen, noch mehr Kindern zu helfen. Weil die Direktorin von Jjonathans Schule ihn darum bat, will er versuchen, in Henstedt-Ulzburg weitere Paten zu finden: Am Sonntag, 13. November, will er im Gemeindehaus der St.-Petrus-Gemeinde, Norderstedter Straße 22, über seinen Besuch berichten (16 Uhr). Dabei werden auch zehn Kinder vorgestellt, die gerne in das Projekt aufgenommen werden sollen. Für die Ehrlichkeit des Projektes steht Michael Schulze ein: Er hat sich die Buchführung der Organisation zeigen lassen.