Seit einigen Jahren nutze ich einen großen Teil meiner Freizeit, um Hilfsprojekte im Kaukasus zu unterstützen. Um mehr Zeit dafür zu haben, habe ich 2008 meine Pastorenstelle reduziert, sodass ich zwei bis drei Monate im Jahr, verteilt auf jeweils zwei bis drei Wochen, im Kaukasus sein kann.

Fast immer kehre ich von solchen Reisen mit neuen spannenden Eindrücken und Impulsen zurück. So auch in diesem September.

Ich kann mich gut an eine Betontreppe erinnern. Was ist an dieser Treppe besonders? Auf dem ersten Blick nichts. Dennoch erzählt diese Treppe eine ganz besondere Geschichte.

Der Reihe nach. 2006 plante die georgische Regierung, die Regionalschule in Schuachevi (80 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tbilisi) zu schließen. Es seien zu wenige Kinder, der Aufwand lohne sich nicht für sie.

Die Direktorin Eka erzählt, dass daraufhin die Regierung das Geld für die Schule zurückzog. Allerdings gab es keine alternative Schule für die Kinder des kaukasischen Bergdorfes. "Die Regierung schickte zwar einen Bus, um die Kinder abzuholen, aber der fuhr nicht mal sechs Monate im Jahr", erzählt der Vater zweier betroffener Kinder. "Im Winterhalbjahr ist es unmöglich, für den Bus unser Dorf zu erreichen."

Anfangs gingen die Kinder noch zu Fuß. Doch nach mehreren Zwischenfällen und Wolfsangriffen entschlossen sich die Eltern, dass es unmöglich ist, die Schule im Winter zu erreichen. So blieben die Kinder zu Hause.

Direktorin Eka ist sich sicher: "Würde die Schule geschlossen, würde das Dorf aussterben." Darum entschloss sich die damalige Mathe- und Physiklehrerin, um die Schule zu kämpfen. Sie schrieb Briefe an das Bildungsministerium. Eka ging es um die Zukunft der Kinder und um den Schutz der ossetischen Minderheit. Auch nach dem Krieg 2008 leben in den Dörfern nahe der ossetisch-georgischen Grenze vornehmlich Osseten.

Die Lehrer und die Eltern der Schule unterstützten Eka. Die Lehrer verzichteten ein Jahr lang auf ihr Gehalt, die Eltern der Schüler brachten Holz, um im Winter heizen zu können.

Als schließlich im Winter 2009 die Regierung Inspektoren, die über den weiteren Bestand der Schule entscheiden sollten, schickte, war der Kampf gewonnen. Die Schule konnte wieder öffnen, Eka wurde Direktorin.

Seit Herbst 2011 bietet unser Projekt "neue weiten" ( www.neue-weiten.de ) gemeinsam mit der Schule eine Computerschulung für die Schüler und weitere Interessierte an.

Als ein fremder Mann von der Schulung hörte, entschloss er sich kurzerhand, mit seinen eigenen Mitteln die zerstörte Schultreppe zu reparieren; denn dass sogar Ausländer der Schule helfen, könne er so nicht auf sich sitzen lassen.

Was können wir hieraus lernen? Von der Direktorin Eka nimmermüden Einsatz für schwächere Menschen in unserer Umgebung. Durch Einsatzwillen und die Sicht für den Schwächeren erreichte sie jedoch Großartiges. Worauf warten wir? Es muss keine Schule sein, um die wir kämpfen. Aber wenn jeder, der das liest, für fünf Minuten inne hält, fallen bestimmt Dinge ein, die machbar sind. Wir sollten nicht warten, bis es uns persönlich unangenehm wird.

Dirk Evert ist Pastor der Christlichen Gemeinde Norderstedt