Ein Teddy zum Mitnehmen auf der Straße - er ist nur einer von vielen Kuscheltieren, die kein Zuhause mehr haben und überall abgelehnt werden.

Norderstedt. Er steckt in einem kleinen Rucksack, der in einem Fahrradkorb liegt. Seine schwarzen Plastikaugen glänzen im Licht der Scheinwerfer der Autos, die auf der Tannenhofstraße vorbeifahren. Seine rosa Schnauze ist schon etwas angestaubt, das ehemals wohl puschlige hellgraue Fell schon etwa struppig und mit brauner Patina. Gekleidet ist er mit einem betagten Baby-Body, und die Arme hält er ausgestreckt. Der kleine Plüschbär sucht ein Kind, das ihn lieb haben will. "Nimm mich mit!!", steht auf einem Zettel, der an seinen Arm gebunden ist. Drei Herzen daneben.

Im Haus hinter der Stelle, an der der Bär wartet, steht ein Mann am Fenster im ersten Stock. Es ist Manfred Stüdemann. Er kommt runter auf die Straße und erzählt die Geschichte des verwaisten Plüschbärchens. "Er lag jetzt ewig bei uns im Keller. Er verstaubte langsam, und keiner wollte mehr mit ihm spielen." Manfred Stüdemanns Kinder sind aus dem Haus. Sie haben selbst schon Kinder. "Aber der Enkel ist auch schon zwölf Jahre alt und spielt nicht mehr mit Plüschbären", sagt Manfred Stüdemann.

Es gibt vieles, das wirklich traurig ist. Ein Plüschbärchen, mit dem keiner mehr spielen möchte, gehört sicher dazu. Manfred Stüdemann wollte sich nicht abfinden damit. "Die Tannenhofstraße ist ein Schulweg, und da vorne ist noch eine Kindertagesstätte. Ich dachte, ich stell ihn hier hin, und irgendein Kind wird ihn schon mitnehmen. In dem Rucksack sind außerdem noch ein Paar Kinderbücher."

Wahrscheinlich wurde der Plüschbär, wie die allermeisten seiner Art, irgendwo in China, Bangladesch oder Taiwan von einem namenlosen, schlecht bezahlten Akkordarbeiter mit mehr oder weniger von Schadstoffen belasteten Materialien zusammengenäht. Der Teddy hat keinen Knopf im Ohr, was ihn zu einem Sammlerstück machen würde. Seine Schnauze ist irgendwie schief genäht. Und doch rührt er den Betrachter. Und macht es ihm unmöglich, ihn einfach in eine Reststoffmülltonne zu werfen. Sein lieber Blick bewahrt ihn vor dem Friedhof der Kuscheltiere.

Wer Kinder hat, kommt irgendwann an diesen Punkt. Das Kind ignoriert plötzlich den Teddy, den Hasen oder die Ente, die sie kaum ein Jahr zuvor sogar noch aufs Klo mitnahm. Bleibt die Frage: Herumstehen, -sitzen und -liegen lassen oder entsorgen? Und wenn ja, wo? Sollen wir es alle machen wie Manfred Stüdemann und die alten Plüsch-Kumpels am Straßenrand auf eine ungewisse Reise schicken?

Es müssen doch Kinder da draußen sein, die keine Stofftiere zum Drücken haben, die noch einen Teddy oder eine Ente aufnehmen könnten und etwas Liebe für sie übrig haben. Die Wahrheit ist: Es gibt weitaus mehr kinderlose Plüschtiere als plüschtierlose Kinder.

Früher warf man als Teenager seine ausrangierten Plüschtiere einfach beim Take-That-Konzert Robbie Williams vor die Füße. Der sammelte die parfümierten Viecher samt Liebesbriefchen ein, steckte sie in einen Müllsack und lieferte sie dem nächsten Kinderheim. Diese Zeiten sind vorbei. "Aus hygienischen Gründen nehmen wir keine Plüschtiere an", sagt Manfred Thurau vom SOS-Kinderdorf. Man müsste die Tierchen reinigen. Das würde wieder Spendengeld kosten. Lohnt sich nicht, sagt Thurau. Genauso sieht es bei den Kleiderkammern des Deutschen Roten Kreuzes aus. Kinder beißen in die Plüschtiere rein. Das ist unhygienisch und anderen Kindern nicht zuzumuten.

Vielleicht ist wenigstens die Toy Company des Dekra ein Refugium für heimatlose Plüsch-Asylanten? "Wir nehmen keine an. Aus Hygiene-Gründen. Höchstens die, die nur zum Teil aus Plüsch bestehen", sagt ein Sprecher des kleinen Projektes, das gebrauchte Spielzeuge aufbereitet und an Bedürftige weitergibt. Es wurden schon säckeweise Plüschtiere "fachgerecht entsorgt". Gruselig.

Schon hatten wir die Hoffnung aufgegeben, da wirkt ein Anruf bei der Feuerwehr wie ein Licht im Dunkeln. "Wir haben auf allen unseren Einsatzwagen Plüschtiere dabei. Wenn am Einsatzort traumatisierte Kinder sind, lenken die Tierchen die Kleinen ab und trösten ein wenig", sagt Norderstedts Wehrführer Joachim Seyferth. Wenn jemand eine Sammlung auflöst, dann nimmt die Feuerwehr schon mal ein paar Tiere auf. "Man kann sich schon bei uns melden, wenn man gut erhaltene Tiere abgeben möchte. Aber momentan haben wir eigentlich genug", sagt Seyferth. Für den kleinen Teddy von Manfred Stüdemann geht das Leben als Knuddelfreund vorerst weiter. Er wurde mitgenommen. Und wird jetzt hoffentlich wieder geliebt.