Polizei und Feuerwehr töten den American Bulldog und den Dogo Argentino Boxer, die eine 14-Jährige mit Bissen in den Arm verletzt haben.

Kreis Segeberg. Bianca H. liebt Hunde. Nachdem ihr Mann vor Kurzem gestorben ist, bilden drei Hunde und Tochter Amelie, 14, ihre Familie. Als Hundetrainerin weiß die 43-Jährige, wie sie mit Merlin, dem American Bulldog, Tonka, dem Dogo Argentino Boxer-Mischling, und der kanadischen Dogge Angel umgehen muss. Deswegen trennt sie Merlin und Tonka im Haus, wenn sie nicht da ist. Der eine Hund liegt im Obergeschoss, der andere im Erdgeschoss.

Doch am Montag ist Amelie einen Moment lang unaufmerksam, die beiden Tiere treffen aufeinander. Die Situation eskaliert, im idyllischen Fahrenkrug kommt es zu einem Drama, das mit zwei toten Hunden und der verletzten Tochter endet. "Der Vorfall hätte nicht so aufschaukeln müssen. Ursächlich waren die Unachtsamkeit meiner Tochter und eine Verkettung unglücklicher Umstände", sagt die Hundehalterin, die in der Neurologie der Segeberger Kliniken arbeitet.

+++Nach Hundeattacke: Zustand von 14-Jähriger stabil+++

+++Kampfhunde verletzen 14-Jährige schwer+++

Als Amelie gegen Mittag Staub saugte, merkt sie plötzlich, dass der zwei Jahre alte Merlin und die fünfjährige Tonka aneinander geraten sind. Sie verbeißen sich ineinander, haben völlig die Kontrolle verloren. Die 14-Jährige will die beiden trennen, doch sie kann nur mit einer Hand zupacken. Der linke Arm liegt nach einem Rollschuh-Unfall vor drei Wochen in Gips, eine Schiene soll ihn stabilisieren.

Die Tiere beißen die 14-Jährige in die Arme. Sie ruft um Hilfe, ein Bauer aus der Nachbarschaft geht mit Gartengeräten dazwischen, verletzt die Hunde, so Bianca H., zusätzlich. Die Tür steht offen, Merlin und Tonka laufen auf die Straße. "Hätte jemand nur die Tür zum eingezäunten Garten geöffnet, wäre wahrscheinlich nichts weiter passiert", sagt die Hundetrainerin.

Eine Polizeistreife sieht den American Bulldog, das weiße Fell ist blutüberströmt, auch rund ums Maul ist alles rot. Kaum haben die Beamten den Hund entdeckt, erreicht sie die Meldung, dass ein Hund Menschen im Ort angegriffen haben soll. Es habe schon Verletzte gegeben. Die Polizisten folgen dem Tier und warnen die Bürger per Megafon vor der "unberechenbaren Gefahr". Die Polizeistreife will das Tier, das auf der Straße läuft und Autofahrer zum Bremsen zwingt, mit dem Streifenwagen stoppen und fahren den Hund an. Der läuft weiter auf die Bahngleise in Richtung Bad Segeberg. Die Polizisten schießen von einem Wirtschaftsweg auf ihn, lassen den Zugverkehr kurzzeitig stoppen, verfolgen das Tier zu Fuß und strecken es mit 14 Schüssen nieder. Doch Merlin kommt auf die Beine, läuft auf die Beamten zu, ehe ein Jäger den tödlichen Schuss abfeuert.

Tonka läuft in der Nähe des Mittelreihenhauses, wo die Hündin bisher mit den anderen beiden Hunden gelebt hat, ebenfalls auf der Straße herum. Der Hund wird von einem Einsatzfahrzeug der örtlichen Feuerwehr überfahren und stirbt.

Amelie wird in die Uniklinik Lübeck gebracht. Nachbarn rufen ihre Mutter an, sie fährt sofort los, erkundigt sich noch im Rettungswagen nach den Verletzungen ihrer Tochter und kümmert sich um ihre toten Hunde. Dass und wie sie getötet wurden, kann Bianca H. nicht verstehen. Sie erhebt schwere Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte: "Die Tiere wurden sinnlos abgeschlachtet, obwohl sie perfekt sozialisiert waren", sagt die Hundehalterin, die auch seit vielen Jahren als Vorstand in einem Hundeverein aktiv ist. "Wenn die Menschen Kampfhunde hören, dann schalten sie wohl das Gehirn aus. Dabei sind die beiden nach dem geltenden Gesetz gar keine Kampfhunde."

Es habe offensichtlich keine Gefahr mehr bestanden, als die Hunde getrennt durch den Ort gelaufen seien. Dennoch seien sie "kaltblütig umgebracht" worden. Am Besten wäre es gewesen, die Hunde wären am Halsband irgendwo festgebunden worden, doch vermutlich traute sich keiner der Beamten an die blutigen Hunde heran. Ob aus Angst, Unsicherheit, Unwissen oder anderen Motiven, sei unklar, aber letztlich auch unerheblich.

Ihre Tochter mache sich schwere Vorwürfe. Nicht nur, weil sie die Hunde zusammengelassen hat, sondern auch, weil sie um Hilfe gebeten hat. "Wenn Hilfe so aussieht, dann kann ich verstehen, wenn sie nie wieder um Hilfe bittet", sagt Bianca H. verbittert.

"Vor Kurzem ist der Vater von Amelie gestorben - und nun auch noch unsere Hunde. Die waren doch unsere Familie." Während sie das sagt, liegt Angel ganz ruhig da. Die Hundedame scheint zu realisieren, dass ihre beiden Mitbewohner, Merlin und Tonka, nie wiederkommen werden.

Gegen die Hundehalterin ist aufgrund des Verdachts einer gefährlichen Körperverletzung durch Unterlassen eine Strafanzeige erstattet worden. (abendblatt.de)