Die ökumenische Andacht von Erzbischof Thissen und Propst Riecke zum Tag der Deutschen Einheit begeisterte rund 400 Besucher.

Das ist eine wunderschöne Kapelle. Und was ihr an Weite fehlt, schaffen die Bäume, die wie gotische Säulen wirken und Raum geben. Was den Hamburger Erzbischof Werner Thissen so begeisterte, steht mitten im Wald. Nur gut fünf Quadratmeter bietet die Waldkapelle in Mönkloh allen, die Einkehr halten wollen. Roter Backstein, Kupferdach, ein kleiner Turm mit Glocke, drinnen weiß gekalkte Wände, eine Holzbank, kleine Lichte auf dem Altar, über dem die Madonna sanft lächelt und ein schmiedeeisernes Tor, das immer offen steht: Die kleinste Kirche im Norden, die an der Radwanderstrecke "Mönchsweg" liegt, lockt viele zum Zwischenstopp, wie die Gästebücher zeigen. Die Besucher schätzen die Intimität des winzigen Gotteshauses, halten inne, beten und danken Gott.

Ein Dutzend Bücher sind gefüllt mit Gedanken in Schönschrift, mit krakeligen Kinderwünschen. Franzosen haben ihre Spuren ebenso hinterlassen wie Spanier. "Danke für diesen wundervollen Ort der Stille", steht da, "ich komme oft hierher, um Kraft zu tanken und mein Herz auszuschütten". Lisa-Marie schrieb: "Danke für meinen süßen Hund, mein hübsches Pony und meine gesunde Familie".

Auch gestern kamen viele, um den ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit zu feiern. Die Bänke auf dem Platz vor der Kapelle reichten nicht, um allen rund 400 Christen Platz zu bieten. Mindestens ein Drittel musste stehen, bis zur Straße reichte die Schlange derer, die auf die gemeinsame Andacht von Protestanten und Katholiken gespannt waren.

Die meisten sind Stammgäste. Jedes Jahr lädt Hans-Jürgen Freese für den 3. Oktober zum ökumenischen Gottesdienst. Doch gestern, zum zehnten Geburtstag des kleinsten Gotteshauses im Norden, hatte hoher Besuch den Weg in den Wald genommen. Erzbischof Thissen standen Propst Kurt Riecke und der katholische Bramstedter Pfarrer Berthold Bonekamp-Kerkhoff zur Seite.

"Ich war bisher nur allein hier, aber jetzt mit den vielen Menschen verstärkt sich der Endruck, an einem besonderen Ort zu sein", sagte der Propst. "Der HSV steigt nicht ab, befindet sich aber in der Krise. Die Kirche ist nicht in der Krise, muss aber auch sehen, wie sie weiterkommt", sagte Erzbischof Thissen vor dem Gottesdienst, der von den Bramstedter Hubertus-Jagdhornbläsern, dem Männerchor von 1858 sowie Janika und Maxima mit einem Blockflötenstück eröffnet wurde - die Mädchen sind die Enkelinnen von Hans-Jürgen Freese, der die Kapelle gebaut hat und mindestens die Hälfte der Besucher mit Handschlag begrüßte.

"Ich wünschte, der Papst wäre jetzt hier und könnte sehen, wie wir alle gemeinsam singen und beten", sagte Thissen in seiner Predigt, in der er dafür plädierte, dass evangelische und katholische Kirche weiter zusammenrücken. Es sei Jesus eine Herzensangelegenheit, dass alle Christen eins sind. "Und ich sage ihnen heute, die Einheit der Christen wird kommen, auch wenn ich jetzt doch einige skeptische Gesichter sehe", prophezeite der Erzbischof. Wenn er vor 25 Jahren die Wiedervereinigung vorausgesagt hätte, hätten ihm wohl auch nur wenige geglaubt. Allerdings sei die Kirchenvereinigung ein zartes Pflänzchen, das in Ruhe wachsen müsse. "Wir dürfen keine Schritte überspringen", mahnte Thissen die Gottesdienst-Besucher zur Geduld.

"Ich freue mich, dass sie trotz des vollen Terminkalenders heute hierher gekommen sind", sagte Hans-Jürgen Freese, ohne den es das Kirchlein im Walde nicht gäbe. Der Hamburger, der in Schnelsen wohnt, hat die Kapelle gebaut - aus Dankbarkeit. Die ersten Lebensjahre verbrachte der gebürtige Paderborner, der seine Eltern nie kennenlernte, in einem Osnabrücker Waisenhaus. Nachdem das ausgebombt worden war, nahm ihn ein katholischer Pfarrer auf. "Ich habe allen Grund, Gott dankbar zu sein", sagt der 77-jährige gläubige Katholik, der seit 40 Jahren ein Wochenendhaus in Mönkloh besitzt.

Das Vorbild hatte er bei einer Reise in Bayern entdeckt. Doch zunächst musste Freese, der verheiratet ist und vier Kinder hat, den Widerstand in der Diaspora brechen. Was das denn solle, das brauchen wir hier nicht, schallte es dem Initiator entgegen. Doch der blieb am Ball, überzeugte die Gemeinderäte, erwirkte eine Baugenehmigung für den Außenbereich, pachtete den Flecken Wald von der Landesforstverwaltung. "15 Jahre hat es gedauert", sagt der Erbauer, rund 40 000 Euro hat das Unternehmen im Namen des Herrn gekostet. Sieben Buchen rahmen die Waldkapelle ein. Sie symbolisieren die Apostel und bieten Schutz vor Sonne und Regen.

Von Anfang an war die Kapelle für alle da, Katholiken wie Protestanten. "Gott ging es bei den Menschen nie um die Einteilung in Katholiken und anders Gläubige. Jesus Christus ging es um die praktizierte Solidarität der Menschen", sagte Uwe Fossemer. Der Glaskünstler aus Itzstedt hat dem christlichen Kleinod im Forst ein Fensterbild spendiert. Ihn habe die Initiative des Erbauers, "eines Verrückten im positiven Sinne", so beeindruckt, dass er sich mit seinen Fähigkeiten beteiligen wollte. Hans-Jürgen Freese gebühre Dank, "auch weil hier der Mensch der Maßstab ist und nicht die immer mehr praktizierte Maßlosigkeit".