300 Jungen und Mädchen ließen sich im Klinikum Bad Bramstedt vermessen. Chefarzt plant weitere Untersuchungen

Bad Bramstedt. Mit einem so großen Andrang hatte Nikolay Tzaribachev nicht gerechnet. Den Besuch von etwa 120 Jungen und Mädchen hatte der Chefarzt der Kinderrheumatologie des Klinikums Bad Bramstedt einkalkuliert. Doch es kamen mehr als 300. Einigen Kindern, die sich für eine Untersuchung zur Verfügung stellen wollten, musste die Kinderklinik sogar absagen. "Toll, dass so viele Kinder gekommen sind, um den rheumakranken Patienten zu helfen", sagt Tzaribachev, der für alle kleinen Gäste Gummibärchen, Eis und Apfelsaft auffahren ließ.

Die Jungen und Mädchen waren einem Aufruf des Klinikums gefolgt, das gesunde Kinder für eine Untersuchung gesucht hatte. Ihre Gelenke wurden per Ultraschall untersucht, um Daten zu gewinnen, wie sich ihre Knorpel, Sehnen und Kapseln von denen rheumakranker Kinder unterscheiden. "Wir brauchen Normwerte", sagt Tzaribachev. Die Untersuchung sei weltweit einmalig. "Diesen Aufwand hat noch niemand betrieben", sagt der Mediziner.

Die Messergebnisse sollen die Diagnostik vereinfachen. Bislang mussten nahezu alle Kinder mit Rheuma eine Kernspinuntersuchung über sich ergehen lassen, die manche Patienten wegen der beängstigenden Enge und des Lärms in der "Röhre" nur mit Narkose ertragen.

Tzaribachev hatte drei Kollegen um Unterstützung gebeten, um die vielen Kinder zu untersuchen. Eine Ärztin kam aus der Charité in Berlin. Eine andere war von der Universität Kairo angereist. Sponsoren hatten vier baugleiche Ultraschallgeräte bereitgestellt.

Nach der Ultraschalluntersuchung stand für die Kinder die Vermessung von Füßen und Kiefergelenken auf dem Programm. Auch dabei ging es um die Ermittlung von Normwerten, um die Diagnose von entzündlichen Prozessen in den Gelenken rheumakranker Kinder zu erleichtern. Der 14-jährige Fabian stülpt ein Messgerät über seinen Kopf und muss kräftig zubeißen. Auf einem Computer erscheinen Bilder, wie sich die Kaukraft in Kiefer und Mund verteilt und welche Muskeln am stärksten arbeiten. Die meisten Rheumafälle beginnen in Kiefer und Füßen.

Bereits am ersten Tag der Untersuchungen haben Tzaribachev und seine Kollegen fünf Kinder entdeckt, die höchstwahrscheinlich an Rheuma erkrankt sind, ohne es zu bemerken. "Ein guter Nebeneffekt unserer Arbeit", sagt der Mediziner. Die entzündlichen Prozesse in den Gelenken haben bereits begonnen, sind aber noch nicht spürbar. Doch selbst wenn die ersten diffusen Beschwerden auftreten, dauert es häufig lange bis zur Diagnose Rheuma. "Gelenkschmerzen sind ein Warnsignal", sagt Tzaribachev. Dabei handele es sich fast nie um Wachstumsschmerzen, wie häufig angenommen werde. Er rät, Kinder mit Gelenkschmerzen bei einem Facharzt untersuchen zu lassen.

Die Ergebnisse der Messungen im Klinikum sollen bis Ende des Jahres ausgewertet werden. Danach veröffentlicht der Kinderrheumatologe sie in Fachzeitschriften. Tzaribachev plant, Ärzte im Klinikum für Ultraschalluntersuchungen zu schulen.

Wegen des großen Andrangs gesunder Kinder bei den Untersuchungen prüft Tzaribachev außerdem, vergleichbare Erhebungen zu wiederholen. Dazu gehört beispielsweise ein Rheumascan. Dabei müssen die Kinder allerdings einen Pieks über sich ergehen lassen: Ihnen wird ein fluoreszierendes Mittel injiziert. Darüber hinaus überlegen die Kinderrheumatologen, wie die Kernspinuntersuchungen verbessert werden können. "Ich habe noch viele Ideen für Untersuchungen an gesunden Kindern", sagt der Mediziner.