Bereits 20-mal wurden die Reifen von Vera Rasches Toyota zerstochen. Polizei ermittelt wegen versuchten Totschlags

Henstedt-Ulzburg. Eigentlich war Vera Rasche immer der Ansicht, dass sie so schnell nichts aus der Bahn werfen kann. Aber das Leben ist nicht immer ein Sahnetoffee: Jetzt ist die rheinländische Frohnatur ein Nervenbündel, weil sie seit einigen Monaten regelrecht heimgesucht wird - sie weiß nicht von wem und warum. Exakt 20 ihrer Autoreifen wurden zerstochen. Immer wieder trifft es ihren kleinen blauen Toyota Yaris, der unauffällig auf dem Parkplatz neben dem Hochhaus steht. Aber in Wirklichkeit trifft es die 36 Jahre alte Bürokauffrau aus der Lindenstraße in Henstedt-Ulzburg: Jeder Stich in einen der Reifen ist wie in Stich in ihr Herz.

Alles beginnt am 1. Juni - ein Mittwoch. Vera Rasche weiß es so genau, weil sie ihren Toyota an jenem Tag aus einer Reparaturwerkstatt in Wedel abgeholt hat. Sie fährt noch nach Uetersen und Elmshorn, bevor sie die Heimfahrt antritt. Als sie gegen 19.30 Uhr in Henstedt-Ulzburg eintrifft und ihren Wagen auf dem angemieteten Stellplatz parkt, bemerkt sie, dass ein Reifen fast platt ist. Bei genauerer Betrachtung erkennt sie, dass hier offenbar jemand am Werk war, der sich auskennt: Eine kleine Einstichstelle an der Flanke - das reicht, um die Luft schleichend entweichen zu lassen.

Vier Wochen später schlägt der Reifenstecher wieder zu. Dann wieder und wieder. Zuletzt im wöchentlichen Abstand. Mal nur ein Reifen, mal auch alle vier. Bei sieben Anschlägen werden 20 Reifen zerstochen. Und merkwürdig: Die Reifen werden teilweise sogar zerstochen, wenn Vera Rasche das Auto anderswo parkt. Manchmal bemerkt sie es wegen des schleichenden Luftverlustes erst während der Fahrt.

De Polizei bittet die Bevölkerung um Mithilfe bei der Aufklärung des Falls

Ihre Anzeigen bei der Polizei lauten nicht mehr "nur" auf Sachbeschädigung, sondern zusätzlich auf gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und sogar versuchten Totschlags. Denn gelegentlich fährt sie mit dem Auto über die Autobahn in ihre Heimat. "Ich bin also immer in Gefahr, dass die entweichende Luft dazu führt, dass ich die Kontrolle über mein Auto verliere und es dann zu einem schweren Unfall kommt." Und das wäre nicht nur für sie fatal, sondern natürlich auch für den jeweiligen Beifahrer, den sie auf der Internetseite www.mitfahrgelegenheiten.de findet.

Die Polizei hatte bereits vor einigen Wochen in einer Pressemeldung auf diesen Fall hingewiesen und die Bevölkerung um Mithilfe bei der Aufklärung gebeten. Geschehen ist bisher noch nichts. Die Reifen werden weiter zerstochen.

Für Vera Rasche ist das fatal. Denn neben der psychischen Belastung gibt es längst auch den finanziellen Aspekt: Jeder zerstochene Reifen muss natürlich ersetzt werden - das zehrt die eigentlich kaum vorhandenen finanziellen Reserven der Frau auf, die nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit erst vor zwei Wochen wieder eine neue Arbeitsstelle gefunden hat. Lediglich der Weiße Ring, Hilfsorganisation für Verbrechensopfer, hat bisher einen finanziellen Beitrag zur Neuanschaffung von Reifen geleistet.

Vera Rasche glaubt natürlich längst nicht mehr an einen Zufall. Auch die Polizei befürchtet, dass die Anschläge gezielt verübt werden. "Wahrscheinlich werde ich auf irgendeine Weise verfolgt", sagt Vera Rasche. Diese Vermutung liegt für sie nahe, weil der Täter offenbar mitbekommt, wann sie abends nach Hause kommt und wo sie ihren Wagen abstellt.

Die zerstochenen Reifen lagert Vera Rasche in ihrem Keller

In der Nacht vom 7. auf den 8. September zum Beispiel hatte sie ihren Toyota erst nach 23 Uhr in einer Seitenstraße abgestellt. Irgendwann danach stach der Unbekannte wieder zu. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass nur ihr Auto betroffen wird. Weder der Polizei noch ihr ist bekannt, dass andere Autobesitzer betroffen sind. Die 20 zerstochenen Reifen lagern als Corpus Delicti in ihrem kleinen Kellerabteil im Hochhaus an der Lindenstraße. Auch eine Zumutung: Mehr passen einfach nicht hinein. Bei allen sieht die Einstichstelle gleich aus: Das besagte winzige Loch mit der großen Wirkung an der Flanke. Die Profile aller Reifen sind kaum oder gar nicht abgefahren. Hier lagert ein kleines Vermögen, das sich buchstäblich in Luft aufgelöst hat.

Vera Rasche hofft jetzt inständig auf die Hilfe von Anliegern, von Nachbarn oder sonstigen Menschen, die irgendetwas beobachtet haben, die etwas wissen oder etwas gehört haben. "Wer zerstört hier meine Reifen und mein Leben?", fragt die Rheinländerin, die sich wegen all dieser Umstände in psychotherapeutische Behandlung begeben hat. "Bitte helft, den Täter dingfest und mein Leben damit wieder erträglicher zu machen!"