Der Fotoclub Norderstedt zeigt in der Ausstellung “...ausgedient“ spannende Fotografien in der Galerie des Norderstedter Rathauses

Asi es la vida" ist auf der alten Lok zu lesen: "So ist das Leben". "Se necesita un mecanico esperancia" - "Es ist ein erfahrener Mechaniker notwendig" steht vorn an der Schnauze. "Und ein dritter Scherzbold hat drunter geschrieben Urgente - dringend!", sagt Manfred Leberle. Der Amateur-Fotograf hat das Relikt aus den blühenden Salzförder-Zeiten Boliviens auf dem Altiplano, in der Salzwüste Uyuni entdeckt. Auf einem Eisenbahn-Friedhof mit mehr als 100 Jahre alten Zügen neben dem Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt. Die Fotografie ist jetzt in der Ausstellung "...ausgedient!" des Fotoclubs Norderstedt in der Rathaus-Galerie im Norderstedter Rathaus zu sehen.

Jahrzehntelang hat die eiserne Lady 3670 Meter über dem Meeresspiegel im Südwesten Boliviens Waggons mit Salz hinunter zur Küste gezogen. 100 Milliarden Tonnen Salz sollen noch im Salar de Uyuni lagern. Doch als Chile gegen Bolivien 1879 wegen Vertragsbruchs aufgrund der Salpetersteuer den Salpeterkrieg anzettelte, und Bolivien ihn 1884 verlor, schnitten die Sieger im "Vertrag von Valparaiso" dem Land den Zugang zu den Häfen am Pazifik ab. Die Eisenbahnen hatten ausgedient. Jetzt rosten in der Wüste langsam vor sich hin und sind ein beliebtes Ziel für Amateur-Fotografen wie Manfred Leberle.

"Dieses Foto ist die Quintessenz unserer Ausstellung, denn die Graffiti 'So ist das Leben' auf der Lokomotive beschreibt treffend unser Ausstellungsmotto 'ausgedient'", sagt Leberle.

Fast zwei Jahre hat sich der Fotoclub Norderstedt mit dem Thema befasst. Ausgeschlossen wurden Dinge wie auf Hochglanz polierte antike Geräte. "Die finden in jedem Museum ein zweites Leben", sagt Rolf Krohn, Vorsitzender des Fotoclubs. Ausgeschlossen wurden auch die beliebten Vanitas-Motive wie malerisch vertrocknete Apfelgehäuse, getrocknete Bananenschalen, Hortensien- oder Rosenblüten.

Die Mitglieder des Fotoclubs schärften ihren Blick immer mehr für morbide Schönheiten, die ihnen beim Strandspaziergang vor die Füße kamen, bei Streifzügen durch den Hafen auffielen oder auf Reisen. Abbruchhäuser wurden zum beliebten Motiv, Häuser, die vom Leben ihrer Bewohner erzählen, die schon lange ausgezogen sind, aber Spuren hinterlassen haben. "Bei unseren Treffen haben wir immer wieder Fotos zum Thema besprochen, eine engere Auswahl getroffen und so allmählich die Ausstellung eingekreist", sagt Krohn.

Der Gründer des Fotoclubs Norderstedt dokumentierte die Geschäftsaufgabe von "Feinkost Kröger" in Ottensen, einem 50er-Jahre-Laden mit gelben Fliesen unter rotem Klinker und eine verlassene 50er-Jahre-Tankstelle, die kurz hinter Bad Segeberg auf dem Weg zur Ostsee steht.

Einige der mehr als 20 Mitglieder des im April 2009 gegründeten Vereins und Norderstedter Kulturträgers nahmen des Mannes liebstes Spielzeug in den Fokus, das Auto. Peter Montag entdeckte beispielsweise einen Buli, den ab den 60er-Jahren so beliebten VW-Bus. Die Limousine steht auf den Felgen stehend, ist mit Graffiti übersät, ein malerisches Stück Autogeschichte. Montags Foto mit einem Lenkrad mit der Wolfsburger Marke in der Mitte, vor sich hin rostend im Strandsand, ist pure Nostalgie, bestens in Szene gesetzt. Karl Flessau hingegen ist der Mann der Schwarzweiß-Fotografie, passend zu seinem Käfer im 50er-Jahre-Ambiente.

Vehikel anderer Art entdeckte Sandra Gerber mit im Hafen gestrandeten Schrottschiffen und einem, in einer Birke baumelnden Fahrrad. "Das hat sie nicht fürs Foto rein gehängt, dazu ist sie viel zu zierlich", beantworteten die Fotoclub-Freunde die Frage nach einer eventuellen Inszenierung des Fotos. Im grünen Schlamm versinkt Günther Eddelbüttels Motiv, ebenfalls ein Fahrrad. Spektakulärer sind sein Motorrad, das an einer Wand neben einem Graffiti-Pin-up hängt, und seine Russen-Schrottlaube vor den goldenen Zwiebeltürmen einer Kirche.

Ulrich Ruess dokumentiert mit seiner Vierer-Fotografie-Serie die morbide Schönheit verlassener Häuser, in denen der Verfall, der abblätternde Putz und Graffitis vom Leben seiner Bewohner einst und heute erzählen. Ruess hat aber nicht nur einfach auf den Auslöser gedrückt, sondern Strukturen, Linien und Perspektiven künstlerisch erfasst. Es ist eben doch oft eine Frage des Standpunkts.

Detailaufnahmen von verrosteten Industrie-Anlagen und Erntemaschinen (Jens Tietz), gefährlich ins Nichts laufende Elektroleitungen (Regina Lemburg), von Radnaben (Michael Kirschte) und Türbeschlägen (Christa Czarneckis rostige Türbeschläge muten an wie entfederte Vögelköpfe), zerfallenden Häusern (Almuth Wagener, Carmen Lohse, Peter Jacobsen und Martin Czarnecki) geben einen Einblick in die Vielfalt des Verfalls im täglichen Leben. Viele Motive wurden auch einfach nur auf Papier abgezogen und auf Fotopappen gepint.

Schade nur, dass diese hervorragenden Motive durch viel zu kleine Rahmen- und Paspartouts-Formate nur gedrängt präsentiert werden und dadurch viel von ihrer Wirkung, ihrem Charme und ihrer Anziehungskraft verlieren. "Eine Frage der Investition", sagen die Fotofreunde. Doch für eine öffentliche Ausstellung, in der die Mitglieder zwei bis fünf Motive präsentieren, sollte eine Investition von zirka 30 Euro pro Bild keine Hürde für die oft weit reisenden Mitglieder sein.

Fotos aus der ehemaligen Potenbergwerk-Ruine oder vom Stadtpark vor der Zeit der Landesgartenschau hatte der Fotoclub bereits in früheren Ausstellungen gezeigt. Außerdem ist in beide Ruinen mittlerweile neues Leben eingezogen.

"...ausgedient!" vom Fotoclub Norderstedt in der Rathaus-Galerie, Rathaus Norderstedt, Rathausallee 50, ist bis 4. September, montags, dienstags, donnerstags und freitags von 12 bis 18 Uhr, sonntags von 15 bis 18 Uhr, zu sehen.