Den “Altonaer Hof“ gibt es nicht mehr, aber ein neues Schild erinnert an die Geschichte des traditionsreichen Gebäudes

Norderstedt. Warum heißt die Einkaufszeile Altonaer Hof? Was hat Norderstedt, und was hat diese Ecke mit Altona zu tun? Diese Fragen haben uns aufmerksame Leser gestellt, die das noch relativ neue Werbeschild an der Ecke Ulzburger Straße/Ohechaussee bemerkt haben. "Ich möchte damit an die Geschichte dieses Ortes erinnern", sagt Gunther Thierbach, Eigentümer der Immobilie.

Und die Geschichte reicht zurück in eine Zeit, die dem Grenzbereich zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein seinen Namen gegeben hat: der Ochsenzoll. Die gleichnamige U-Bahn-Station in Langenhorn, die Ochsenzoller Straße und der Schmuggelstieg erinnern an die Hochzeit der Ochsentreiber. In der großen Zeit des Ochsenhandels zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert wurden jährlich bis zu 50 000 Ochsen von Jütland durch Schleswig-Holstein getrieben.

Die Ochsentreiber zahlten Zoll und stärkten sich im Ossenkroog

Einer der Wege führte über Ulzburg zum Ochsenzoll. "Und da die Treiber ohnehin ihren Zoll entrichten mussten, wenn sie am Ende der heutigen Ulzburger Straße angekommen waren, machten sie hier auch gleich Pause. Und zwar im Ossenkroog, dem Vorläufer des Altonaer Hofes und heutigen Geschäftsgebäudes", sagt Norderstedts Stadtarchivar Manfred von Essen. Doch als um 1840 die Chaussee von Altona nach Bad Oldesloe (Ohechaussee/Segeberger Chaussee) gebaut wurde, wurde die Zollstation wenige Meter nach Osten verschoben. Denn für die neue "Kunststraße" mussten die Nutzer Wegegeld bezahlen. "Und es bot sich an, Zoll und Straßengebühren an einer Stelle zu erheben", sagt von Essen. So entstanden das Hauptzollgebäude, der spätere "Parkhof", das Wegegeldeinnehmerhäuschen, das Zollwärterhaus, das Wohnhaus des Zollverwalters, das noch heute an der Segeberger Chaussee steht, und der Gasthof Dieckmann an der Ecke Langenhorner Chaussee/Segeberger Chaussee.

Der Ossenkroog blieb als Relikt des Garstedter Zolls übrig, hieß nun wegweisend Altonaer Hof und avancierte zu einem Etablissement, in dem sich die vornehmen Leute trafen. Am Wochenende bat der Gastwirt zum Tanz, und wer sich amüsieren wollte, musste "Schlips und Kragen anlegen". Die jungen Frauen vom Lande sahen die Chance, einen Mann kennenzulernen, die ihnen womöglich ein angenehmeres Leben als die anstrengende Arbeit auf Hof und Feld bieten konnte. Doch der Fußweg in den Tanzsaal war weit, zu weit und holprig, um ihn in den teuren Tanzschuhen zurückzulegen. So machten schlüpften die Mägde zunächst in ihre Gummistiefel und tauschten sie erst kurz vor dem Ziel gegen leichtes Schuhwerk, mit dem sie auf dem Parkett bestehen konnten.

Doch der Altonaer Hof war nicht nur beliebt bei Ausflüglern, von denen viele aus Hamburg kamen. "Um 1914 gab es in dem Gebäude an der Ohechaussee 4 auch die erste Arztpraxis in Garstedt. Dr. Sosmann kam mit einem Pferdewagen zur Sprechstunde aus Poppenbüttel", sagt Langenhorn-Archivar Erwin Möller, dessen Fundus und Kenntnisse über die Stadt- und Landesgrenze hinaus reichen, denn: Durch viele Jahrhunderte hindurch provozierten die unklaren Verhältnisse im "Dreiländereck um den Ochsenzoll" immer wieder Grenzstreitigkeiten zwischen Garstedt, Harksheide und Hamburg, heißt es im Heimatbuch der Gemeinde Garstedt.

"1949 war der Altonaer Hof ein herrlicher Restaurantgarten mit Tanzfläche, täglich ab 12 Uhr geöffnet. Zum Tanz täglich ab 16 Uhr (bei günstiger Witterung im Freien) spielt im August Henry Baldower und sein dezent modernes Sextett mit Hedy Hillesheim, bekannt durch Radio Stuttgart und Radio Frankfurt", heißt es in der Chronik des Verlagshauses Meincke. Doch auch die Popularität der Musiker konnte die Existenz der Gaststätte nicht sichern. Im Januar 1955 teilt der stellvertretende Bürgervorsteher von Garstedt, Helmut Mikat, im Garstedter Rathaus mit, dass der Altonaer Hof zwangsversteigert werden müsse. Allerdings wollte die Gemeinde nicht auf Steuereinnahmen aus dem gastronomischen Betrieb verzichten. Die "Royal Ballspiel-Geselschaft" sollte im geschichtsträchtigen Haus ein Spielcasino eröffnen.

Mitte der 50er-Jahre wurde der Komplex erweitert. Auf dem Eckgrundstück kamen 58 Wohnungen hinzu. Doch schon im April 1957 endet die Lebenszeit der Gastwirtschaft. Ein Brand vernichtete das halbe Gebäude, das konnten auch die Einsatzkräfte aller vier Ortswehren, die aus Garstedt, Harksheide, Friedrichsgabe und Glashütte angerückt waren und von zwei Wehren aus Hamburg unterstützt wurden, nicht verhindern. 21 Bewohner wurden obdachlos. Der Fuhlsbütteler Architekt Friedrich Hoppe, der den Komplex von der Familie Habermann gekauft hatte, wollte nach dem Abschluss der polizeilichen Ermittlungen das Gebäude wieder aufbauen.

Zu Pfingsten 1958 traf man sich wieder zu Tanz und Musik in der Gaststätte

Doch da spielten Polizei und Verwaltung nicht mit. Nach einer Ortsbesichtigung erhoben die Mitglieder des Garstedter Bau- und Gewerbeausschusses Einspruch gegen das Vorhaben und sahen sich im Einklang mit dem Bauamt des Kreises Pinneberg, zu dem Garstedt bis zur Norderstedter Stadtgründung 1970 gehörte. Dann wurde der Bau doch hochgezogen, denn zu Pfingsten 1958 traf man sich dann wieder zu Tanz und Musik im neu eröffneten "Altonaer Hof", der dann allerdings den Ladengeschäften weichen musste, durch das neue Werbeschild aber zumindest wieder in den Blick gerät.