Das bekannte Internet-Forum abgeordnetenwatch wählte Segeberger Kreistag für die Deutschland-Premiere

Kreis Segeberg. Den Politikern auf die Finger sehen, ihre Arbeit beobachten - das konnten die Wähler bisher nur in der "großen" Politik. Doch jetzt hat das angesehene Internet-Portal abgeordnetenwatch auch Seiten freigeschaltet, mit denen die Bürger den Abgeordneten im Segeberger Kreistag auf den Zahn fühlen können. Wer im Internet abgeordnetenwatch.de eingibt, sieht sofort das Segeberger Wappen und landet mit dem nächsten Klick mitten im Kreistag.

Die Politiker erscheinen zum Teil mit, zum Teil ohne Foto. In jedem Fall wird auch sofort ersichtlich, wem eine Frage gestellt wurde, und wer sie noch nicht beantwortet hat. Mit dem neuen Service betreten die Segeberger Abgeordneten Neuland: Der Kreistag ist bundesweit der erste, der sich für dieses basisdemokratische Instrument entschieden hat.

Bislang konzentrierte sich abgeordnetenwatch nur auf Europa-, Bundes- und Landtagsabgeordnete. Und hat sich auf diesen Ebenen als kritischer Beobachter politischer Arbeit etabliert. Nun hat das Forum auch die kommunale Ebene in den Fokus genommen, Stadt- und Gemeinderäte sowie Kreistagsabgeordnete aufgerufen, sich zu beteiligen. Der ehemalige Segeberger Bürgermeister Udo Fröhlich (SPD) hatte sich gemeldet. Er trug die Kontaktdaten seiner Kreistagskollegen zusammen und versorgte abgeordnetenwatch mit den Informationen. Die Initiative wiederum schrieb die Politiker an. Wer wollte, konnte persönliche Daten oder Porträts hochladen.

Kreispräsident Winfried Zylka hat sein Bild eingestellt: "Ich habe kein Problem damit, meine Daten zu veröffentlichen. Das habe ich auch schon auf meiner Internetseite getan. Ich finde das neue Forum positiv, haben die Bürger doch damit die Möglichkeit, schnell und direkt mit ihren Abgeordneten in Kontakt zu traten", sagt Zylka. Schwierig werde es nur, wenn die ehrenamtlichen Politiker mit einer Fülle von Fragen konfrontiert würden, die sie nicht mehr ohne Verzögerung abarbeiten können.

Danach sieht es allerdings momentan nicht aus. Der gestrige Blick auf die Seite zeigte, dass die Bürger gerade mal zwei Politikern je eine Frage gestellt hatten. Die Zurückhaltung mag zum einen daran liegen, dass das neue Mitwirkungs-Medium noch nicht ausreichend bekannt ist. Zum anderen herrscht Urlaubszeit. Einer der beiden Kreistagspolitiker hat übrigens geantwortet, der andere noch nicht. Ohnehin steckt der direkte Draht zu den Politikern noch in den Kinderschuhen. Erst 15 der 64 Kreistagsabgeordneten haben ein Porträt eingestellt und Daten zu ihrer Person veröffentlicht. Bleibt abzuwarten, ob das Forum nach den Sommerferien Fahrt aufnimmt.

Zwar interessieren sich die Menschen mehr für das, was direkt vor ihrer Haustür oder doch zumindest in ihrem Wohnort geschieht. Auf Kreisebene fallen aber Entscheidungen, die Auswirkungen auf das tägliche Leben haben. Ob es um den Busverkehr, den Betrieb von Krankenhäusern, die Müllabfuhr oder Straßenbau geht - Kreispolitiker sind oft an Beschlüssen beteiligt, die jeden Bürger direkt betreffen.

Über die neue Internetseite können sich die Segeberger einmischen, Vorschläge und Ideen einbringen, aber auch kritisch nachfragen. Damit die Kritik nicht unter die Gürtellinie geht oder sich die Kreispolitiker nicht persönliche Beschimpfungen gefallen lassen müssen, werden die Beiträge vor der Veröffentlichung gegengelesen. Zahlen müssen die Bürger für ihre Anfragen nichts, sie müssen nur eine gültige Mail-Adresse besitzen.

"Alle Parteien erhalten durch die Beteiligung der Bürger Anstöße. Und das Verfahren ist weniger formal als bei der Bürgerfragestunde im Kreistag", sagt Mitorganisator Fröhlich. Er hofft wie die Betreiber von abgeordnetenwatch, dass möglichst bald auch Stadt- und Gemeindepolitiker dem Beispiel des Kreistags folgen und sich den Bürgern öffnen.