Wie dem Ehepaar Pietrowski geht es jedes Jahr Hunderten Menschen im Kreis: Plötzlich ist das Fahrrad futsch!

Norderstedt. Als die Norderstedter Monika, 60, und Georg Pietrowski, 64, gegen halb acht Uhr abends von ihrem Einkaufsbummel aus dem Herold-Center kommen, können sie es kaum glauben: Ihre teuren Fahrräder stehen nicht mehr dort, wo das Ehepaar sie zwei Stunden zuvor abgestellt hatte. Im Klartext: Sie sind geklaut worden.

Dabei hatten die Pietrowskis ihre Räder extra vor der Reinigung an einem dafür vorgesehenen Metallgestell mit einem Schloss gesichert. Doch nun fehlt von den Rädern jede Spur: "Die Diebe müssen uns beobachtet haben", sagt Monika Pietrowski. "Wir sind anschließend noch zwei Stunden lang mit dem Auto durch Norderstedt gefahren und haben jede Ecke abgesucht. Sogar im Gebüsch haben wir geguckt", betont sie. Doch die Suche blieb erfolglos.

So wie dem Norderstedter Ehepaar ergeht es immer mehr radelnden Menschen im Kreis Segeberg. Allein im Fahrradladen Hertel an der Langenhorner Chaussee kommt jede Woche mindestens ein Kunde vorbei, der sich ein neues Fahrrad kaufen muss, weil sein altes geklaut wurde, sagt Geschäftsinhaber Oliver Müller. Und die Tendenz ist steigend: Bundesweit werden jedes Jahr mehr als 400 000 Räder gestohlen - vom günstigen Kinderfahrrad mit Entenhupe bis zum hochwertigen Sportgerät mit allem nur denkbaren Hightech-Schnickschnack. Das bedeutet: Im Schnitt wechselt zwischen Flensburg und Füssen alle eineinhalb Minuten ein Fahrrad illegal den Besitzer.

Die Segeberger Polizei bestätigt: Im ersten Halbjahr 2011 wurden im Kreisgebiet 25 Prozent mehr Räder gestohlen gemeldet als ein Jahr zuvor. In Zahlen bedeutet das: Zwischen Januar und Juni registrierte die Polizei 141 Fahrrad-Diebstähle. Davon gelten knapp 90 Prozent als schwere Diebstähle - also als solche, bei denen die Fahrräder eigentlich bestens gesichert waren. Zu den häufigsten Tatorten zählen U-Bahn- und Busbahnhöfe und Einkaufszentren wie das Herold-Center. "Auch der Fahrrad-Parkplatz am Arriba-Bad oder Fahrradständer an Schulen sind heute keinen sicheren Stellflächen mehr", betont der Polizist Stefan Scholz.

Der ADFC Norderstedt empfiehlt, die Räder codieren zu lassen

Doch wie kann man sein Fahrrad am besten sichern? Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Norderstedt empfiehlt eine Fahrradcodierung: Dieser Code, der in den Rahmen eingestanzt wird, enthält Daten über den Wohnort des Besitzers und auch seine Initialien. Wird ein gestohlenes Rad gefunden , kann die Polizei es anhand dieses individuellen Codes dem Besitzer zuordnen. Am 30. August ist der bekannte Fahrradcodierer Franz Reuter in Norderstedt. Er wird von 13 bis 15 Uhr bei der Polizei an der Europaallee sowie von 15.30 bis 18 Uhr bei der Polizeistation Mitte, Rathausallee 78, Räder codieren. Kosten: elf Euro pro Rad.

Zweirad-Experte Oliver Müller codiert zwar auch Räder, ist allerdings skeptisch: "Da die Grenzen geöffnet sind, ist es für organisierte Banden nicht schwer, Fahrräder ins Ausland zu bringen. Dort interessiert sich dann kein Mensch mehr für die Codierung." Er setzt vielmehr auf bewährte Sicherungstechnik in Form von soliden Bügelschlössern: "Das Schloss sollte durch Rahmen und Hinterrad geführt und an einem festen Gegenstand befestigt werden, beispielsweise an einem Laternenpfahl." Das Spitzenmodell in seinem Geschäft verkauft er für etwa 90 Euro. Er führt aber auch Gelenkbügelschlösser, Schlossketten und Panzerschlösser, die aufgrund ihrer leichten Handhabung besonders bei Frauen und Kindern beliebt seien.

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte zusätzlich zu einem sicheren Schloss eine Fahrradversicherung abschließen. Solange das Fahrrad verschlossen zu Hause steht, zahlt bei einem Diebstahl in der Regel die Hausratversicherung. Wer sein Rad generell gegen Diebstahl versichern will, muss bei seiner Hausratversicherung mit einem Aufschlag von 30 bis 40 Euro im Jahr rechnen oder eine spezielle Fahrradversicherung abschließen: Kosten 150 bis 200 Euro im Jahr. So eine Versicherung wird empfohlen, wenn das Rad 500 Euro und mehr gekostet hat. Roland Harstorff von der Verbraucherzentrale Norderstedt hat noch einen guten Tipp für alle Radler: "Fotografieren Sie Ihr Fahrrad, und bewahren Sie die Kaufbelege gut auf." Das erleichtert im Schadensfall die Kostenerstattung. Außerdem empfiehlt er, auf die Uhrzeiten zu achten, zu der das Fahrrad je nach Tarif versichert ist. Manche Verträge bieten zum Beispiel nur einen Schutz in der Zeit von 6 bis 22 Uhr. Wichtig sei in jedem Fall der Nachweis, dass das Fahrrad zum Zeitpunkt des Diebstahls mit einem guten Fahrradschloss angeschlossen war. Auch hier sollte der Kaufbeleg aufbewahrt werden.

Die radlose Monika Pietrowski hat sich notgedrungen ein neues "Hobby" zugelegt: Sie verfolgt täglich die Auktionen auf Ebay, in der Hoffnung, dass die dreisten Diebe ihre Räder dort zu Geld machen wollen. Bisher vergeblich. Neue Räder können sie und ihr Gatte sich zurzeit nicht leisten.

Wer günstig zu einem Fahrrad kommen will, für den lohnt sich möglicherweise der Gang zum Fundbüro. Im Norderstedter Rathauskeller stapeln sich Dutzende Bikes - vom herrenlosen Damenrad bis zum bunten Kindervelo. Petra Rodat vom Ordnungsamt kann sich kaum vorstellen, wo all die gefundenen Fahrräder immer herkommen - "aber anscheinend vermisst sie ja keiner", sagt sie. Die nächste öffentliche Versteigerung findet am Mittwoch, 31. August, ab 15 Uhr in der Tiefgarage am Rathaus statt. Wer weiß: Vielleicht entdeckt der eine oder andere dann dort sein Fahrrad wieder. Monika und Georg Pietrowski: "Vielleicht schauen wir auch mal vorbei."