Unter anderem in der Medizinbranche besteht Bedarf. Insgesamt gibt es im Kreis noch 355 freie Lehrstellen. Sie sollen dringend besetzt werden.

Kreis Segeberg. Die Schule ist vorbei, aber es ist noch kein Ausbildungsplatz in Sicht? Das lässt sich ändern, auch wenn das Ausbildungsjahr bereits am 1. August beginnt. Denn: Es gibt im Kreis Segeberg noch jede Menge "Last-Minute-Angebote" von Unternehmen, die auf Bewerber warten. Ob im Büro, beim Friseur oder in der Gaststätte - allein in Norderstedt ist nach Angaben der zuständigen Agentur für Arbeit in Elmshorn noch mehr als ein Drittel der zu vergebenen Stellen offen. In Zahlen: Von den insgesamt 685 Lehrstellen sind 271 noch nicht besetzt - 111 junge Menschen suchen nach Angaben der Agentur zurzeit noch einen Ausbildungsplatz.

"In der Medizinbranche und der Altenpflege besteht momentan ein besonders hoher Bedarf", sagt Christian Witte von der Agentur für Arbeit. Schuld daran seien die fehlenden freiwilligen Helfer, seitdem der Zivildienst abgeschafft wurde. "Es wird leider kaum möglich sein, alle offenen Stellen zu besetzen", so Witte. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen seien vom Azubi-Mangel betroffen. Denn: Größere Betriebe schnappen ihnen oft die besten Bewerber vor der Nase weg.

Bis jetzt konnten mehr als 400 Ausbildungsplätze über die Arbeitsagentur vergeben werden - das sind 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Am begehrtesten waren dabei kaufmännische Berufe sowie Lehrstellen im Bereich Elektrotechnik, Logistik und Einzelhandel.

Die guten Zahlen sprechen für eine florierende Wirtschaft im Kreis. Jedoch stehen einige Personalleiter ratlos da: "Wir hatten noch nie so wenige Bewerber wie in diesem Jahr", sagt Cem Duman, Inhaber des Norderstedter Cafés Cup & Cino. Dabei habe er als Ausbildungsleiter viel zu bieten für junge Leute: Seine derzeitigen Auszubildenden im Bereich Systemgastronomie übernehmen verantwortungsvolle Aufgaben wie beispielsweise das Kalkulieren der Produktpalette sowie das Erstellen von Arbeitsplänen. "Deshalb stelle ich den Anspruch an Bewerber, zumindest einen Realschulabschluss mitzubringen", so Duman. Gerade einmal zwei Interessenten standen in diesem Jahr zur Auswahl - keiner von beiden war allerdings für den Job geeignet.

"Ich empfehle Bewerbern, dass sie in einem kurzen Praktikum zeigen, dass ihnen der zukünftige Beruf viel Spaß machen würde", rät Tarik Gilgenberger, der sich im zweiten Ausbildungsjahr zum Systemgastronomen in dem Norderstedter Café befindet. Auch eine Lehre zum Koch wird hier angeboten.

Die Zeiten haben sich also geändert: Es sind nicht mehr hauptsächlich die Schulabgänger, die während der Wirtschaftskrise noch händeringend nach Arbeit und Lehrstellen suchten. Jetzt sind es die Unternehmen, die Azubis suchen. "Dieser Wandel hat dazu geführt, dass die Bereitschaft zur Ausbildung schwächerer Bewerber zugenommen hat", heißt es von der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein. Gleichzeitig werden soziale Kompetenzen für eine erfolgreiche Ausbildung immer wichtiger.

Vielleicht ein Grund dafür, dass auch die Agentur für Arbeit Neumünster, die für den Kreis Segeberg (außer Norderstedt) zuständig ist, positive Zahlen präsentiert: 250 Ausbildungsstellen wurden ausgeschrieben. Das sind 14,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Bis Ende Juni dieses Jahres waren davon noch 84 Plätze unbesetzt. Vor allem im Einzelhandel und Automobilbereich wird derzeit verstärkt gesucht. Industriekaufleute und Steuerfachangestellte sind ebenfalls gefragt. "Und in den ländlichen Regionen fehlen handwerklich begabte Bewerber, die zum Beispiel den Beruf des Bäckers, Tischlers, Malers oder Maurers lernen wollen", sagt Andrea Julke von der Agentur für Arbeit Neumünster.

Für Betriebe im Kreis werde es zunehmend wichtiger, eigene Arbeitskräfte auszubilden, um den sich andeutenden Fachkräftemangel abzudecken. Eine große Herausforderung, wie es scheint. Der verschärfte Wettbewerb in vielen Branchen verleitet Unternehmen dazu, ihre Ausbildungsverhältnisse möglichst früh unter Dach und Fach zu bringen.

Wer sich jetzt kurzfristig für einen Ausbildungsplatz bewerben möchte, sollte sich entweder direkt bei den suchenden Betrieben melden oder an die jeweiligen Arbeitsagenturen wenden. Bei einem bestimmten Berufswunsch ist zunächst das Durchstöbern von Lehrstellenbörsen im Internet zu empfehlen (http://jobboerse.arbeitsagentur.de und www.ihk-schleswig-holstein.de ). "Wer noch nicht so genau weiß, welcher Weg eingeschlagen werden soll, kann sich an unsere Beratungsstellen wenden", so Julke. Im Vorfeld vereinbarte Analysegespräche sollen dann Aufschluss darüber geben, welche Berufswahl die richtige sein könnte. Anschließend sei eine direkte Vermittlung zwischen Schulabsolvent und Betrieb möglich. Um ein Bewerbungsschreiben kommen die meisten Jugendlichen trotzdem nicht herum - auch hier bieten die jeweiligen Agenturen für Arbeit Hilfestellung an.

Termine für eine Last-Minute-Berufsberatung gibt es bei der Bundesagentur für Arbeit unter der Hotline: 01801/55 51 11.