Arved Fuchs ist zum fünften Klima-Camp aufgebrochen. Danach segelt er mit seiner Crew ins Eis vor Ostgrönland

Bad Bramstedt. Wie oft sie schon an einem Kai gestanden hat, um sich von ihrem Sohn zu verabschieden, hat Gisela Fuchs nicht gezählt. Die 85-Jährige kennt das Ritual schon seit Jahrzehnten: Ihren Sohn Arved zieht es dorthin, wo es abenteuerlich und in der Regel eisig zugeht - mit Vorliebe in die Arktis. Bevor die Mannschaft die Leinen losmacht, stehen die Familie und Freunde am Hafen, umarmen zum Abschied die abenteuerlustige Crew und wünschen eine gute Reise. Dazwischen drängen sich die Fernsehteams. Gisela Fuchs war auch diesmal wieder dabei, als ihr Sohn mit seinem Schiff Dagmar Aaen in Richtung Norden ablegte. "Nein, ich habe keine Angst um ihn", sagt die Mutter des Expeditionsspezialisten aus Bad Bramstedt gelassen. "Angst muss man auf der Autobahn haben."

Graues Schauerwetter zieht zum Abschied über den Flensburger Museumshafen, als Arved Fuchs mit seiner Frau Brigitte auf der Dagmar Aaen eintrifft. Während sich die meisten Gäste in ihre Multifunktionsjacken mummeln, steht der Bramstedter hemdsärmelig an Deck, gibt souverän seine Interviews und begrüßt auch die Touristen aus Westfalen und Sachsen-Anhalt, die den Abenteurer und sein Schiff zufällig bei einem Spaziergang an der Promenade entdecken: "Guck ma', dat is doch der Fuchs!" Auch eine Kinderreporterin ist dabei und fragt, warum ihm die Natur im Norden so wichtig ist. "Weil die Natur auch dann noch intakt und schön sein soll, wenn du so alt bist wie ich", antwortet der 58-Jährige.

Fuchs' Ehefrau Brigitte Ellerbrock muss ebenfalls Interviews geben. Nein, auch sie habe keine Angst um ihren Mann. Er verfüge über sehr große Expeditionserfahrung. Einmal pro Tag sprechen sie per Satellitentelefon miteinander - Anrufe vom Ende der Welt nach Bad Bramstedt.

Auch in den kommenden Wochen wird täglich das Telefon klingeln, wenn Fuchs und seine Mannschaft quer über den berüchtigten Nordatlantik segeln und ihr erstes Ziel Island ansteuern. Husavik heißt der kleine Hafen, wo Fuchs die zehn Teilnehmer des fünften internationalen Klima-Camps I.C.E begrüßen wird. Die Abkürzung steht für Ice, Climate, Education (Eis, Klima, Bildung). Fuchs und seine Sponsoren laden einmal pro Jahr junge Menschen aus der ganzen Welt nach Husavik ein, wo sie sich gemeinsam mit Wissenschaftlern mit der globalen Erderwärmung und ihren Folgen beschäftigen werden. Mit dabei sind Dr. Dirk Notz vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie und Fuchs' Neffe Steffen Lembke, der am Institute of Management in Berlin arbeitet und auf der Reise nach Island das rustikale Leben an Bord der Dagmar Aaen kennenlernen wird. Der 27-Jährige ist Spezialist für Sozialmanagement und bereitet sich auf seine Promotion vor.

Im vergangenen Jahr war Fuchs von der Westküste Grönlands aus nur per Bildtelefon in Husavik zugeschaltet. Diesmal wollte er in jedem Fall wieder dabei sein, wenn seine jungen Gäste vom 20. bis zum 30. Juli zu Klimabotschaftern ausgebildet werden und nach der Heimkehr ihr Wissen in ihrer Heimat verbreiten sollen.

Als "echte Herausforderung" bezeichnet Arved Fuchs die Etappe, die auf das Klima-Camp folgt. "SOS Eisberg" heißt das Projekt an der Ostküste Grönlands. Der 58-Jährige plant, so weit wie möglich nach Norden zu segeln, um in den arktischen Gewässern die Eisverhältnisse zu erkunden. Fuchs kennt die Region des Nordost-Grönland-Nationalparks bereits von seinen Reisen im Jahr 1997/98 und 2006 und plant, die Veränderungen zu dokumentieren, die auf die Erderwärmung zurückzuführen sind. Angekommen am nördlichsten Punkt will er eine "Flaschenpost" mit einem Digitalsender auf einer Eisscholle aussenden. Damit soll die Drift dieser Scholle verfolgt werden. Besucher der Internet-Seite www.arved-fuchs.de können den Weg der Flaschenpost verfolgen.

Fuchs erwartet schwierige Eisverhältnisse in dem 972 000 Quadratkilometer großen Nationalpark, der als größter der Welt gilt. Bereits bei seinen vergangenen Expeditionen hatte Fuchs erlebt, dass die Erderwärmung zwar zu einem Rückzug des Eises in den Norden führt, andererseits jedoch mehr Packeis als zuvor freisetzt, das der Dagmar Aaen gefährlich werden könnte.

Das 81 Jahre alte Expeditionsschiff lag vor dem Aufbruch in Flensburg drei Monate lang in der Werft im dänischen Egernsund und wurde auf die Anforderungen des Polarmeers vorbereitet. "Eine Generalinspektion", sagt Arved Fuchs. Mehrere der bis zu acht Meter langen Originalholzplanken am Heck, die unter einer schützenden Aluminiumhaut verbogen waren, mussten ausgetauscht werden. "Für Reisen auf der Nord- oder Ostsee wären die alten Planken noch okay gewesen, aber nicht für Ostgrönland", sagt Fuchs. Außerdem haben die Spezialisten der Werft die Maschine runderneuert, das Segelwerk ausgetauscht und sogar den Topmast heruntergenommen.

Ende September werden Fuchs und seine Crew zurückerwartet. Dann werden Freunde und Familie wieder am Kai stehen.

Der WDR zeigt am 18. Juli um 22 Uhr eine Dokumentation über die Überwinterung der Dagmar Aaen im Winter 2009/10 in der Nähe des grönländischen Dorfes Upernavik. Drei Männer blieben im arktischen Winter an Bord. "Ein Jahr im Eis - Die Überwinterung der 'Dagmar Aaen" beginnt um 22 Uhr.